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Archiv-Artikel

Teure Tumoren

Expertenkommission verlangt, verstrahlte Soldaten besser zu entschädigen. Das gilt auch für die NVA

BERLIN taz ■ Eine „großzügige Entschädigung“ hatte der ehemalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping ehemaligen Soldaten versprochen, die durch radioaktive Strahlung an Radargeräten schwere Gesundheitsschäden erlitten. Bisher jedochwurden von fast 3.000 Anträgen nur 13 positiv beschieden. Die große Mehrheit der Opfer und ihrer Angehörigen wartet seit Jahren vergeblich auf Hilfe.

Jetzt haben sie endlich Grund zur Hoffnung: Eine unabhängige Expertenkommission übt harte Kritik an der bisherigen Praxis und empfiehlt eine sehr viel umfassendere Anerkennung von Folgeschäden als bisher. Der Verteidigungsausschuss des Bundestages hatte die Kommission eingesetzt, die gestern dem Gremium ihren Bericht vorlegte. Darin stellen die Fachleute dem Verteidigungsministerium ein vernichtendes Zeugnis aus: Mangelhafte Methodik, unvollständige Erfassung der Erkrankungen und ein unwissenschaftlicher Ausschluss bestimmter Krebserkrankungen – so lauteten einige der Vorwürfe.

„Hier war die Arbeit einer unabhängigen Kommission einmal äußerst hilfreich“, erklärte der grüne Wehrexperte Winfried Nachtwei gegenüber der taz. Die Empfehlungen sollten jetzt möglichst schnell umgesetzt werden. Noch während der Sommerpause wollen sich die Obleute des Verteidigungsausschusses treffen, um über die Konsequenzen zu beraten, die aus dem Bericht gezogen werden müssen.

Anlass zu vorsichtigem Optimismus haben vor allem ehemalige Angehörige der NVA. Sie waren bisher von Entschädigungsleistungen ausgeschlossen, zum einen infolge einer komplizierten Rechtslage, zum anderen, weil sich in vielen Fällen der Zusammenhang zwischen einer Krebserkrankung und der Strahlenbelastung durch Radargeräte wegen fehlender Messdaten nicht mehr konkret nachweisen lässt. Die Kommission empfiehlt nun, nahezu alle bösartigen Tumorerkrankungen von Soldaten als entschädigungswürdig einzustufen, die an entsprechenden Apparaten ohne Schutz gearbeitet haben.

Für den Staat könnte die Angelegenheit sehr teuer werden – wie teuer, das lässt sich noch gar nicht absehen. Die Kommission untersuchte nämlich auch die mögliche Strahlenbelastung durch den Umgang mit radiumhaltiger Leuchtfarbe, die in vielen Bereichen der Bundeswehr benutzt wurde. Ergebnis: Das Risiko war hoch. Dieser Befund dürfte weitere Anträge auf Entschädigungsleistungen nach sich ziehen. BETTINA GAUS