Emissionshandel: Deutschland kein Vorreiter

Expertentadel für rot-grünes Klimagesetz: Es orientiere sich zu sehr am Besitzstand, zu wenig am Einsparpotenzial

BERLIN taz ■ Gestern Nacht nach Redaktionsschluss trafen sich die Koalitionspolitiker, um dem Emissionshandel den letzten Schliff zu geben. Klar ist jedoch schon vorab: Mit dem Nationalen Allokationsplan (NAP), der die Details des Emissionshandels regelt, ist der rot-grünen Koalition kein Meisterstück gelungen. Auf der gestrigen öffentlichen Anhörung des Umweltausschusses überwog scharfe Kritik.

Gleich zwei Experten, Hans-Jochen Ziesing vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und Christoph Bals von Germanwatch, wollten nicht ausschließen, dass die EU-Kommission Deutschland den NAP noch einmal zur Überarbeitung zurückgeben könnte. Drastisch auch das Urteil von Felix Matthes vom Öko-Institut: „Das Emissionsziel für Anlagen ist Ergebnis eines politischen Aushandlungsprozesses, dessen innere Rationalität und Konsistenz sich nur schwer erschließt.“ Die umständlichen und teils ungerechten Regeln beklagen inzwischen auch Abgeordnete der Koalition.

Viel ändern wird sich daran nicht mehr. Ein Vorgespräch gestern Morgen, bei dem neben den Fraktionsunterhändlern auch Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne), Verkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) und Wirtschaftsstaatssekretär Georg-Wilhelm Adamowitsch anwesend waren, ergab kaum Bewegung. Am Mittwoch soll der NAP vom Umweltausschuss abgesegnet werden, am Freitag im Plenum.

Für Matthes ist inzwischen völlig unsicher, ob die EU den „marktwirtschaftlichen Anreiz“, der den Emissionshandel im Kern ausmacht, überhaupt noch sichern kann. Im deutschen NAP bekäme jede Fabrik so viele Verschmutzungsrechte wie sie nach ihren historischen Emissionen brauche. Wie viel sie tatsächlich an Emissionen einsparen kann, werde dagegen – anders als etwa in Holland – nicht gewürdigt.

„Der NAP basiert auf dem Prinzip der Besitzstandsgerechtigkeit: Wer viel emittiert, kriegt viel.“ So statten die Regeln die Konzerne Eon, RWE und Vattenfall mit ihren teils sehr alten Kohlekraftwerken besonders gut aus. EnBW, das vor allem Atommeiler ersetzen muss, fährt mit dem NAP deutlich schlechter. Gestern bemühten sich EnBW-Vertreter um eine Änderung im letzten Moment – auch durch Gespräche beim Kanzler.

Viele EU-Länder lieferten schlechte Pläne ab, die zumeist eine deutliche Steigerung der Emissionen vorsehen. Spanien hat noch gar nichts geliefert, Italien nur einen groben Vorentwurf. Dabei ist Deutschland durchaus nicht der strahlende Vorreiter, wie das Kanzleramt immer argumentiert. Deutlich ambitionierter ist der Plan der Briten. MATTHIAS URBACH