Kommentar: Der lange Weg zum Atomausstieg : Das bittere kleinere Übel
Zehn Jahre Regierungsverantwortung der grünen Anti-Atom-Partei – und doch fühlt sich die Atomindustrie sichtlich wohl in NRW: Die Erweiterung der Uran-Anreicherungsanlage im münsterländischen Gronau ist beschlossene Sache, neue Castor-Transporte ins Zwischenlager Ahaus drohen. Und auf der Jahrestagung des „Deutschen Atomforums“ in gestern Düsseldorf reden Lobbyisten vom umkehrbaren, gescheiterten Atomausstieg. Bitter.
Gescheitert sind die Grünen deshalb dennoch nicht – das zeigt schon der erbitterte Widerstand, den die Landesregierung den hochgiftigen Atommülllieferungen ins Münsterland nach anfänglichem Zögern entgegensetzt. Bitter die Wahrheit: Ein schnellerer, konsequenterer Atomausstieg ist aller Gefahren zum Trotz nicht durchsetzbar – nicht auf der Bundesebene und erst recht nicht im Land. Denn dazu fehlen den Grünen schlicht die politischen Partner, auf Seiten der Sozialdemokraten und erst recht bei der CDU.
Jüngstes Beispiel aus dem Düsseldorfer Landtag: Erst am Montag warfen die Christdemokraten Nordrhein-Westfalens SPD-Innenminister Behrens „Dilettantismus“ bei dessen Castor-Verhandlungen mit Sachsen vor, dass seinen noch aus DDR-Zeiten stammenden Atommüll unbedingt loswerden will. Die CDU-geführte sächsische Landesregierung habe sich doch bewegt und die Reduzierung der – rund 50 Millionen Euro teuren – Transporte von 18 auf drei angeboten, befand der CDU-Landtagsabgeordnete Bernhard Tenhumberg.
Soviel Ignoranz war selten: Statt die Gefahren zu thematisieren, redet Nordrhein-Westfalens Opposition nur noch über mögliche Kostenreduzierungen. Für den schnelleren Atomausstieg fehlt die politische Mehrheit. In Wahlkampfzeiten ist Verantwortung selten. ANDREAS WYPUTTA