Mädchennotrufe bleiben permanent bedroht

Der Bund will beim Kampf gegen sexuellen Missbrauch nicht sparen – doch NRW-Projekte sind vom Land abhängig

DÜSSELDORF taz ■ Renate Schmidts (SPD) hehre Worte haben für Nordrhein-Westfalen keinen Wert. Am Dienstag versprach die Bundesfamilienministerin, im Kampf gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen das bisherige Beratungsnetz weiter zu fördern. An die entsprechenden Beratungsstellen werde auch in schwierigen Zeiten kein Rotstift angelegt, sagte Schmidt in Düsseldorf. Allerdings wird das den Anlaufstellen in NRW für missbrauchte Mädchen nicht zugute kommen: Sie sind allein von Fördermitteln des Landes und der Kommunen abhängig.

„Wir müssen jedes Jahr neu für unsere Arbeit kämpfen“, sagt Agnes Zilligen von der LAG Frauennotrufe NRW. Noch immer sei die Beratung und die Hilfe von sexuell missbrauchten Menschen keine Pflichtaufgabe der Kommunen, in finanziell knappen Zeiten werde dies immer wieder in Frage gestellt. Die Kampagne von Schmidt findet Zilligen grundsätzlich gut, weil sie für ein immer noch tabuisiertes Thema sensibilisiere. Dennoch befürchtet sie, nach der Kampagne nicht mehr allen Hilfesuchenden zur Seite stehen zu können. „Mehr Aufklärung bedeutet, dass mehr Frauen endlich den Weg zu den Beratungsstellen finden – aber wir haben schon jetzt kaum Personal.“

Laut Polizeistatistik werden jährlich 20.000 Kinder und Jugendliche Opfer sexueller Gewalt, die Dunkelziffer liegt allerdings weitaus höher. In NRW können sie sich an landesweit 16 Frauennotrufe wenden. Das Land fördert diese mit jeweils einer halben Stelle. In den vergangenen zwei Jahren stand die Förderung auf der Kippe und auch für den Doppelhaushalt bis 2005 steht sie unter Vorbehalt.

„Wir können nie genug tun“, sagt Susanne Beck vom Düsseldorfer Notruftelefon. Das Interesse am Thema sexuelle Gewalt verlaufe immer phasenweise – mal werde Aufklärung propagiert, dann wieder werde den Opfern vorgeworfen, sie würden sich falsch erinnern. „Wir müssen schon in Kindergärten gehen und die Mädchen stark machen,“ fordert Beck.

Das würde sich auch die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Marianne Hürten, wünschen. „Leider wurden in diesem Jahr präventive Projekte an den Schulen weggekürzt.“ So gäbe es jetzt keine Selbstbehauptungskurse für Mädchen mehr und auch Kurse für Jungen, um mit Konflikten gewaltfrei umzugehen, konnten nicht mehr gefördert werden. „Wir wären dankbar, wenn Frau Schmidt dafür Geld locker machen würde.“

ANNIKA JOERES