: „Wir haben immer Angst“
Abdelkrim Ouldadda, Auslandssprecher der verbotenen algerischen „Islamischen Heilsfront“ (FIS), über die Folgen der Freilassung zweier historischer FIS-Führer
taz: Am Mittwoch wurden die beiden FIS-Führer Abbassi Madani und Ali Benhadj freigelassen. Ist dies ein Schritt in Richtung endgültiger Aussöhnung?
Ouldadda: Die zwölfjährige Haftstrafen der beiden war durch nichts gerechtfertigt. Es handelte sich um eine völlig willkürliche Maßnahme. Jetzt sind sie zwar frei, aber ihnen wurden die Bürgerrechte entzogen. Das heißt, sie können nicht politisch aktiv werden. Ich glaube nicht, dass dies eine gute Grundlage für eine vollständige Aussöhnung sein kann.
Heißt das, dass es keinen Aufruf von Madani oder Benhadj an die islamistischen Untergrundgruppen geben wird, die Waffen niederzulegen?
Die FIS hat seit 2000 keine Untergrundgruppe mehr. Und die anderen bewaffneten Gruppen in Algerien haben keinerlei Beziehungen mit uns. Es handelt sich um Banditen, die den Islam als Vorwand benutzen. Ich glaube nicht, dass sie auf Madani oder Benhadj hören würden.
Scheich Madani hat wenige Tage vor seiner Freilassung seine Anhänger zu Disziplin bei möglichen Freudenfeiern gemahnt. Wovor hat er Angst?
Die FIS hat immer Angst vor Provokationen seitens der Machthaber, um unser Verbot aufrechtzuerhalten. Sie wollen uns ständig marginalisieren.
Strebt die FIS eine Rückkehr auf die politische Bühne an?
Das Ziel einer Partei ist immer die Teilnahme am politischen und sozialen Leben eines Landes. Das Problem Algeriens seit mehr als zehn Jahren ist die Marginalisierung einer Bewegung, die einen großen Teil der Bevölkerung repräsentiert. Ich glaube nicht, dass in Algerien eine wirkliche Demokratie eingeführt werden kann, solange dies so ist.
Was werden die beiden FIS-Führer jetzt tun?
Das Verbot bezieht sich nicht nur auf die Politik. Sie dürfen keine Versammlungen abhalten, sie dürfen nicht predigen und auch gegenüber der Presse keinerlei Erklärungen abgeben.
Werden sie sich heute beim Freitagsgebet an die Gläubigen richten?
Ich glaube nicht, dass sie gegen die Auflagen verstoßen werden. Sie werden zuerst einmal Widerspruch dagegen vor Gericht einlegen, um so ihre Bürgerrechte wiederzuerlangen.INTERVIEW: REINER WANDLER