Denn sie wissen nicht, was sie tun

Bei jüngsten Abschiebungen von Kölner Flüchtlingen wurden Familien auseinander gerissen, sagen Flüchtlingsrat und Rom e.V. Die Stadt dementiert und nennt Razzia „nichts Außergewöhnliches“

Von Susanne Gannott

Lügt die Stadt oder ist sie einfach unfähig? Eine Pressesprecherin der Stadt Köln verneinte gestern auch auf mehrfache Nachfrage der taz, dass durch die Abschiebungen am Dienstag Familien getrennt worden seien. Dagegen präzisierte Claus-Ulrich Prölß vom Kölner Flüchtlingsrat seinen Vorwurf, wonach bei der Razzia vorgestern in 16 Kölner Flüchtlingsheimen eine Frau mit ihrem Sohn dem Bundesgrenzschutz (BGS) in Düsseldorf überstellt worden sei – ohne den Ehemann und Vater.

„Der Mann war bei uns im Büro, als wir gegen 14 Uhr einen Rückruf vom BGS erhielten, mit dem uns bestätigt wurde, dass seine Frau und sein Sohn im Flieger nach Belgrad säßen und das Flugzeug bereits gestartet sei“, sagte Prölß. Warum der Ehemann nicht mit abgeschoben wurde, verstehe er selbst auch nicht. Als die Ordnungs- und Polizeikräfte am frühen Dienstag Morgen das Wohnheim Kulmbacher Straße 3 durchsucht hätten, seien jedenfalls alle drei Familienmitglieder zusammen gewesen. „Doch nur bei Frau und Sohn wurde die Duldung vor Ort widerrufen. Die beiden wurden direkt mitgenommen“, so Prölß.

Die städtische Sprecherin erklärte dagegen, dieser vom Flüchtlingsrat geschilderte Fall „stimmt nicht“. Insgesamt sollten am Dienstag nach ihren Angaben rund 40 Personen abgeschoben werden. Davon habe man jedoch nur 25 angetroffen, von denen anschließend 16 „abgereist“ seien. Die übrigen hätten kurzfristig Asyl beantragt und damit ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht erwirkt.

Dass die Stadt von der Familientrennung nichts wissen will, ist für Prölß kaum zu glauben. „Der Ausländerbehörde müsste eigentlich bekannt sein, wen sie abschiebt. Wenn das nicht der Fall ist, muss man an ihrer Souveränität zweifeln. Das ist ungeheuerlich“, empört er sich.

Zweifel an der Darstellung der Stadt nährt auch ein zweiter Fall: So wurde ebenfalls am Dienstag ein 26-jähriger Mann aus dem Wohnheim Causemannstraße abgeschoben – und damit von seiner 16-jährigen Frau und den drei Kindern getrennt. Das bestätigten der taz übereinstimmend der Kölner Rom e.V. und der Anwalt des Mannes, Franz Limburg. Zwar sind die Eheleute nur nach Roma-Brauch verheiratet „und deshalb wird die Ehe von unseren Verwaltungsgerichten nicht anerkannt“, erklärte Limburg. Dennoch habe sein Mandant drei Kinder – wobei die Vaterschaft im Falle des Ältesten sogar gerichtlich festgestellt sei – und damit blutsverwandte Familie hier zurücklassen müssen. Daher habe er am Dienstag beim Kölner Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung auf Abschiebestopp gestellt und sich dabei auf Artikel 6 des Grundgesetzes über den „besonderen Schutz von Ehe und Familie“ berufen. Außerdem sei der Mann schwer nierenkrank und könne in Jugoslawien nicht adäquat behandelt werden kann. Leider habe das Gericht den Antrag jedoch abgelehnt.

Dramatische Folgen hatte die Razzia auch für eine weitere Flüchtlingsfamilie. Laut Kurt Holl vom Kölner Rom e.V. geriet eine Frau, von der bekannt sei, dass sie seit langem in psychiatrischer Behandlung ist, in Panik und sprang aus dem zweiten Stock eines Wohnheims. Danach soll ein Polizist im Beisein der Kinder gesagt haben: „Das hat sie gut gemacht“, worauf der 15-jährige Sohn ebenfalls aus dem Fenster gesprungen sei. Das erzählte der Vater und Ehemann gestern am Krankenbett seiner Frau, so Rom e.V.-Mitarbeiterin Iris Biesewinkel.

Angesichts dieser Ereignisse betonten Rom e.V. und Flüchtlingsrat gestern noch einmal, solche Razzien mit massivem Polizeiaufgebot seien völlig „unverhältnismäßig“. Dagegen meinte die Pressesprecherin der Stadt, diese „wöchentlichen Aktionen“ seien „nichts Außergewöhnliches“. Das wiederum wiesen Prölß und Holl empört zurück: Seit Dezember sei dies die erste Razzia gewesen. Natürlich wolle die Stadt die Aktion herunterspielen, meinte Holl. Schließlich werde jetzt klar, „wie verlogen die Proklamation einer ‚Neuen Flüchtlingspolitik‘ in Köln ist“.