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Archiv-Artikel

papa was a rudolf steiner von HARTMUT EL KURDI

Vor einigen Jahren merkte ich einmal in einer Kolumne an, Waldorfschulen seien Inseln der Glückseligkeit, auf die Akademiker-Eltern ihren Nachwuchs verbannten, damit sie auf keinen Fall Kontakt zu Prollkindern bekämen. Daraufhin erhielt ich einen Brief von der Waldorfschule meines Wohnortes, in der ich der Intoleranz und der Anstiftung zu Gewalttaten bezichtigt wurde. Es habe in letzter Zeit an verschiedenen Stellen in der Schule gebrannt und man habe „den begründeten Verdacht“, dass das in Zusammenhang mit meinen Kolumnen stehe. Und selbstverständlich werde man mich anzeigen, falls ich mit meiner doch sehr an die Methoden der Nationalsozialisten erinnernden Propaganda fortfahre.

Auf diese uncharmante Drohung antwortete ich mit einem handgeschriebenen Brief und stellte klar, dass mir die Brandstiftungen sehr Leid täten, ich mich aber andererseits sehr wundere, dass grade die Anthroposophen, die ja unter anderem als Goetheaner bekannt seien, sich nicht darüber freuen könnten, dass das geschriebene Wort noch eine solche Wucht habe und direkt ins schmuddelige Erdenleben hineinwirke. Das sei doch an sich was ganz Schönes …

Nicht etwa, dass ich mit einer humorvollen Reaktion gerechnet hätte, aber die schriftgewordene emotionale Entgrenzung, die mich dann erreichte, erschreckte mich doch ein wenig.

Kurz danach zog ich in ein Haus direkt gegenüber dem Waldorf-Kindergarten. Jeden Morgen musste ich mit anschauen, wie die aus allen Winkeln der Stadt und des Landkreises anrollenden Volvo-Combis und Zweitwagengolfe die Kinder zur Steiner-Erziehung anlieferten. Mit der Zeit gewöhnte ich mich daran und entwickelte ein fast entspanntes Verhältnis zu meinen irrationalen buchstabentanzenden Nachbarn. Als jedoch die Adventszeit begann, brach das fragile Gebäude unserer friedlichen Koexistenz zusammen. Mehrmals in der Woche wurden am hellichten Tag die Laternen angezündet und dann umkreisten Erzieherinnen und Kinder die Steiner’sche Immobilie, dabei kraft- und saftlos „Laterne, Laterne“ und andere Lampenlatsch-Klassiker nölend, nee: in Zeitlupentempo leiernd, ach was: in einem geradezu geisterhaft schwachbrüstigen Ton seufzend. Eigentlich fehlte nur noch das Kettenrasseln.

Und so schrieb ich einen Text, in dem ich mich darüber wunderte, dass die Antroposophen ständig von der Wichtigkeit der musischen Erziehung sprächen, den Kindern aber offensichtlich das Gegenteil von Musik vermittelten: Gesang ohne Seele und Energie und Takt ohne Rhythmus und Beat, durch und durch unkörperlich – so was müsse später, bei den pubertierenden Kindern, zwangsläufig im protestierenden Rammsteinhören enden. Und das hätten die Eltern dann auch verdient.

Diesmal antworteten die Erzieherinnen des Kindergartens, beschimpften mich ein wenig, luden mich dann aber zum „Tag der offenen Tür“ ein, mit dem Versprechen, eigens für mich einen Waldorf-Salat zuzubereiten, damit ich wenigstens an einem „Waldorf-Produkt“ gefallen finden könne. Ich stutzte. Und dann – nennt mich naiv, nennt mich einen Träumer – keimte für einen kurzen, sehr kurzen Moment Hoffnung in mir auf …