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Archiv-Artikel

Degustationen und Diskussionen

Nachbarschaft und Globalisierung sind die Stichworte der Internationalen Grünen Woche Berlin 2009: Die Niederlande sind diesjähriges Partnerland, die Welternährung und nachhaltiges Wirtschaften stehen in den Expertenrunden auf der Agenda

VON KLAUS LEONARD

Wie sich das für Berlin gehört, beginnt auch dieses Jahr wieder mit einem Superlativ: Als „weltgrößte Verbraucherschau“ rund ums Essen findet die Internationale Grüne Woche (IGW) bis 25. Januar zum 74. Mal seit 1926 statt. In diesem Jahr präsentieren sich rund 73.600 Aussteller aus 116 Ländern den erwarteten 29,5 Millionen Fach- und Privatbesuchern mit Angeboten aus den Bereichen Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau. Ein Großteil der Konsumenten, die zu den Messehallen pilgern, hat die vermeintlich gute alte Zeit noch miterlebt: eine Zeit, in der ausladende Speisetafeln ein Synonym für Wohlstandswachstum und vielversprechende Zukunftsperspektiven waren. Trostsuche in nostalgischer Rückwende zu Wirtschaftswunderzeiten ist derzeit auch bei den Jüngeren angesagt, da der Wohlstand angesichts der Wirtschaftskrise zu bröckeln droht. So passt das Partnerland 2009 besser in die allgemeine Grundstimmung, als wahrscheinlich beabsichtigt war: Unter dem Motto „Qualität von nebenan“ präsentieren sich die Niederlande auf der IGW. Der prominente Auftritt ist anekdotisch satt unterfüttert: „Ein Niederländer war es, der 1951 als erster ausländischer Aussteller unter anderem Bundeskanzler Konrad Adenauer auf dessen Eröffnungsrundgang mit einem aufwändig gestalteten Obst- und Gemüsestand beeindruckte“, erinnern die Veranstalter. Und weiter: „Seit 1953 präsentiert sich das Nachbarland der Bundesrepublik Deutschland durchgehend mit einem offiziellen Ländergemeinschaftsstand auf der IGW und leitete damit die Ära der internationalen Beteiligungen auf der Grünen Woche ein.

Die Niederlande sind nicht zuletzt deshalb Stammgast auf der Messe, weil ihre Agrarbetriebe stark auf den deutschen Markt ausgerichtet sind. Das Land ist zwar klein, aber nach den USA weltweit zweitgrößter Exporteur landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Etwa ein Viertel der gesamten niederländischen Agrarproduktion ist für den deutschen Markt bestimmt, allein rund 205.000 Tonnen Käse pro Jahr – fast die Hälfte des gesamten Käseexports. Auch für andere Produkte ist Deutschland der wichtigste Handelspartner, etwa für Baumschulerzeugnisse, Obst und Gemüse. Besonders Tomaten, Paprika und Gurken kaufen die deutschen Konsumenten häufig aus den Niederlanden.

Neben intensiver Nachbarschaftspflege stehen auch globale Themen auf der diesjährigen Agenda der IGW: Dabei geht es um die Sicherstellung der Welternährung, die Lösung der Energiefrage und die Bekämpfung des Klimawandels. Diese drei Schlüsselfragen – für die Zukunft der Menschheit untrennbar miteinander verbunden – werden auf der IGW ausgiebig erörtert. Die deutsche Wirtschaft nutzt in diesem Jahr das Forum der Messe, um gemeinsam mit 30 Agrarministern und über 1.000 Experten der Agrar- und Ernährungswirtschaft aus aller Welt über globale Lösungsstrategien zu diskutieren. Herzstück des Forums ist die Plenarveranstaltung „Welternährung 2020 – innovative Lösungen bei begrenzten Ressourcen“. Strategien der „Grünen Kette“ von der Landwirtschaft über Agrartechnik, Ernährungsindustrie und Agrarhandel sollen aufzeigen, in welcher Richtung gearbeitet werden muss, um die Welternährung in Zukunft besser sichern zu können. Ein Schwerpunkt liegt darauf, die Ressourceneffizienz zu verbessern und durch eine „Modernisierungspartnerschaft“ neue Technologien insbesondere in Osteuropa sowie in Schwellen- und Entwicklungsländern zugänglich zu machen. Auch nachhaltige Produktion von Agrarrohstoffen und Lebensmitteln ist ein zentrales Thema.

Darüber hinaus widmen sich drei Veranstaltungen weiteren strategischen Fragen: So werden Lösungsstrategien zur Minimierung der Emission von Treibhausgasen bei Erzeugung, Handel und Verarbeitung von Lebensmitteln erörtert. Die Landwirtschaft als lange „vergessene“ Schlüsselressource für Entwicklung und das globale Management von Tierseuchen stehen im Mittelpunkt von zwei weiteren Runden. Über 250 messebegleitende Konferenzen werden 2009 zur Grünen Woche angeboten.

Während die Fachleute im kleineren Kreis an der Lösung zahlreicher globaler Herausforderungen feilen, können sich die Besucher dem Kulinarischen im globalen Maßstab widmen: Wie keine andere Verbrauchermesse bildet die IGW den Weltmarkt der Ernährungsindustrie in direktem Vergleich ab. Mehr als 50 Länder aller Kontinente stellen ihre Spezialitäten vor. Mit mehr als 100.000 Angeboten offerieren sie das wohl vielfältigste Nahrungsmittelspektrum der Welt. Guten Appetit!