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Archiv-Artikel

Mehr Zwillinge

Eine Hamburger Studie zeigt: In der Umgebung von Giftmüllanlagen werden mehr Zwillinge geboren

In Regionen mit höher Umweltbelastung werden vermehrt Zwillinge geboren. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler der Hamburger Universitätsklinik Eppendorf (UKE).

Für die von Nadia Obi-Osius und ihren Kollegen durchgeführte Studie wurden in mehreren hessischen Regionen über 600 Mütter befragt und die Geburtsdaten aus den Jahren 1994 bis 1997 ausgewertet. Das überraschende Ergebnis: In Regionen mit besonders hoher Umweltbelastung war die Anzahl der Zwillingsgeburten im Vergleich zu anderen Regionen doppelt so hoch. Besonders viele Zwillinge verzeichneten die Wissenschaftler in der Nähe einer Giftmüllverbrennungsanlage rund 30 Kilometer südlich von Frankfurt am Main.

Welche Stoffe für die erhöhte Zwillingsrate verantwortlich sind, haben die Forscher nicht untersucht. Doch allein dass in der Nähe der Giftmüllverbrennungsanlage 5,3 Prozent der Mütter Zwillinge zur Welt gebracht haben – in unbelasteten Gebieten lag diese Rate bei 2,3 beziehungsweise 1,6 Prozent –, sollte Anlass genug sein, diesem Phänomen weiter auf den Grund zu gehen.

Mögliche Einwände, dass die erhöhten Zwillingsraten auf die in den letzten Jahren vermehrt angewendete künstliche Befruchtung oder die Verabreichung von fertilitätsstimulierenden Hormonen zurückzuführen sind, konnten die Forscher mittels der statistischen Daten zuvorkommen. In der betroffenen Region seien Reproduktionshilfen im Vergleich zu den anderen Gebieten nicht häufiger in Anspruch genommen worden, heißt es in der Studie, die im Fachmagazin Occupational and Environmental Medicine Journal veröffentlicht wurde. Ganz im Gegenteil, in den unbelasteten Gebieten wurden häufiger Fruchtbarkeitshilfen angewandt.

Dass die Luftverschmutzung auch weit mehr zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen kann als bisher angenommen, zeigen auch Studien, die am GSF (Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit) in Neuherberg bei München durchgeführt wurden. Die GSF-Forscher entschlüsselten, wie winzige Staubpartikel im menschlichen Körper wirken: Partikel, die kleiner als hundert Nanometer sind, dringen nicht nur ins Blut ein, sondern schädigen auch die Herzschlagsteuerung und lösen in den Lungen Entzündungen aus. Die winzigen Rußpartikel werden vor allem von Autos und aus Fabrikschornsteinen ausgestoßen.

Gleich mehrere Arten, wie die winzigen Partikel im Körper wirken, entdeckten die Forscher. So können die Staubteile im Blut die Blutplättchen aktivieren, was dazu führt, dass das Blut dickflüssiger wird. Damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich Blutgerinnsel bilden: Das Herz wird nicht mehr ausreichend durchblutet, der Herzrhythmus wird gestört und ein Herzinfarkt droht. Auch eine Beeinflussung des Nervensystems stellten die GSF-Forscher fest. Neben diesen konkreten Ergebnissen zeigen diese Studien vor allem aber, dass es noch einen enormen Forschungsbedarf gibt, bei der Frage, wie die Schadstoffe in der Umwelt unsere Gesundheit beeinträchtigen. WOLFGANG LÖHR