: 70 Dezibel zur Vorsorge
Beim Thema Hör-Screening ist Bremen bundesweit führend: Die hiesigen Kliniken bieten allen Neugeborenen einen freiwilligen und kostenlosen Hörtest an, der für die frühzeitige Behandlung von Schäden entscheidend sein kann
„Das Hör-Screening dauert nur zwei Minuten beim schlafenden Neugeborenen und sollte bei der zweiten Vorsorgeuntersuchung gemacht werden“, empfiehlt Christian Ribbentrop von der Kinderklinik Klinikum Nord. Beim Hörtest wird in den äußeren Gehörgang über einen locker eingesteckten Stöpsel ein Ton von ungefähr 70 Dezibel abgespielt. Etwas lauter als eine normale Unterhaltung, die einer Lautstärke von etwa 65 Dezibel entspricht. Die Hörschnecke eines gesunden Ohres sendet diesen Ton zurück. Kann das Test-Gerät diesen Antwort-Ton registrieren, funktioniert die Hörschnecke.
Da dieses Verfahren auf dem Prinzip der Ableitung von „otoakustischen Emissionen“ (der Weitergabe der Schallsignale innerhalb des Ohres) basiert, wird es als OAE-Verfahren bezeichnet. „Das Erkennen frühkindlicher Hörstörungen ohne Zeitverlust“ ist für den HNO-Arzt Hans-Udo Homoth der entscheidene Vorteil des Testverfahrens. Die Eltern selber entdecken Hörprobleme häufig erst im Alter von über zwei Jahren.
Entsprechend spät kommt es dann zur Behandlung durch einen Facharzt. Dagegen könne durch das frühe Erkennen eine Hörschädigung bereits im ersten halben Lebensjahr mittels Hörgerät oder Implantat behandelt werden. „Das Kind verliert so bedeutend weniger Zeit in der Hör- und Sprechentwicklung“, betont Homoth.
Seit Anfang April wird der freiwillige Hörtest an allen Bremer Entbindungskliniken kostenlos angeboten. Rund 95 Prozent der jungen Mütter nehmen das Angebot an. Gesundheitssenatorin Karin Röpke (SPD) hat das Projekt mit 19.000 Euro für die Anschaffung der OAE-Testgeräte angeschoben. Die laufenden Kosten von etwa 16 Euro pro Test tragen die Kliniken.
Bremen ist mit dem Hör-Screening bundesweit führend. Nur Hamburg, das Saarland, die Region Hannover, Teile Bayerns und der neuen Bundesländer testen ebenfalls das Hörvermögen von Neugeborenen, erklärt Martin Götz aus dem Gesundheitsressort. „In Bremen läuft noch eine Testphase, die aber fließend in ein dauerhaftes Angebot übergehen soll“, verspricht Götz. Da das Hör-Screening kein bundesweiter Standard ist, bezahlen die Krankenkasse ihn noch nicht, wie Senatorin Röpke bedauernd feststellt. Standardmäßig werden nur die Kinder untersucht, die vor oder während der Geburt an Infektionen oder Sauerstoffmangel litten.
In Bremen und Umzu werden pro Jahr rund 8.500 Kinder geboren, davon haben etwa zwölf ein gestörtes Gehör. Das Hör-Screening kurz nach der Geburt liefert allerdings nur eine Momentaufnahme. Da durch Infektionen jederzeit Störungen auftreten können, hält HNO-Arzt Homoth einen weiteren Hörtest nach einem Jahr für sinnvoll. stk