: CSU rüttelt heftig am Zuwanderungskonsens
Sicherungshaft für Terrorverdächtige muss aus Sicht der Union erneut im Bundestag „auf die Tagesordnung“
BERLIN taz ■ Nein, nein, versichert der Sprecher von Bayerns Innenminister Günther Beckstein, nein, auch sein Chef wolle nicht den Zuwanderungskompromiss gefährden, den Edmund Stoiber und Angela Merkel mit Bundeskanzler Gerhard Schröder ausgehandelt haben. „Das wird umgesetzt“, heißt es in seiner Pressemitteilung. „Nachverhandelt wird nicht.“ Aber, und das klingt schon wieder nebulöser: „Man wird doch noch über ein paar Punkte reden dürfen, die halt nicht ganz klar sind.“
Und so nutzen Beckstein und andere Unionspolitiker die Gunst der stündlich wachsenden Aufregung um den verschwundenen Islamistenführer Metin Kaplan, um, ganz nebenbei, ein paar Gesetzesverschärfungen wieder ins Gespräch zu bringen, die beim Zuwanderungsgipfel im Kanzleramt unter den Tisch gefallen waren. Dazu gehört die so genannte Sicherungshaft für Terrorverdächtige, die aus Sicht der Union im Bundestag erneut „auf die Tagesordnung“ müsse.
Auch die Hardliner der CSU glauben jedoch nicht, dass es ihnen gelingen wird, die Sicherungshaft noch in das Zuwanderungsgesetz hineinzuverhandeln. Dafür sind die Festlegungen der rot-grünen Koalition zu deutlich. „Eine Sicherungshaft ist verfassungsrechtlich nicht verantwortbar und wird es mit uns in dieser Legislaturperiode nicht geben“, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD, Dieter Wiefelspütz der taz. Dies hätten auch Stoiber und Merkel eingesehen und auf eine Sicherungshaft im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes verzichtet. „Diese Abmachung gilt.“ Die Union will nun einen eigenen Gesetzesvorschlag für einen „polizeilichen Gefahrenabwehrgewahrsam“ einbringen. Auf die Reaktion von Innenminister Otto Schily (SPD) darf man gespannt sein. Er hatte die Sicherungshaft noch vor der Union als Erster angeregt.
Zunächst aber wird Schily mit Beckstein den genauen Text für das Zuwanderungsgesetz ausarbeiten. Beide stehen unter Druck. Die Grünen wollen „mit Argusaugen“ darauf achten, dass keine weiteren Verschärfungen eingebaut werden. Genau das aber erwarten Becksteins Parteifreunde. Bei der letzten Sitzung der CSU-Landesgruppe im Bundestag war bereits Unmut aufgekommen, weil das Ergebnis der Einigung im Kanzleramt „zu lasch“ ausgefallen sei. „Es wurde ein gewisses Unbehagen artikuliert“, berichtete der CSU-Innenpolitiker Hartmut Koschyk.
Also bemüht sich Beckstein, so gut er kann, noch etwas herauszuholen. Nicht nur Schleuser müssten zwingend ausgewiesen werden, forderte Beckstein gestern, sondern alle Ausländer, die zu Haftstrafen von einem Jahr oder mehr verurteilt wurden. Damit rückte er genau das Thema in den Fokus, das für die Grünen am heikelsten ist. Eine generelle Verschärfung der Ausweisungsbestimmungen verhindert zu haben, sei für seine Partei „der wichtigste Punkt“ gewesen, sagte Grünen-Chef Reinhard Bütikofer. Dazu Beckstein nun: „Das ist im Kanzleramt möglicherweise nicht eindeutig behandelt worden und muss nun nachgearbeitet werden.“ Reaktion der Grünen: „No chance, Herr Beckstein!“ Auch Wiefelspütz betont, dass es bei der geltenden Grenze von Zwangsausweisungen erst ab drei Jahren Haft bleibe. „Daran wird nicht gerüttelt“, so der SPD-Politiker. „Beckstein soll auf dem Teppich bleiben.“ Doch so sehr sich SPD und Grüne schütteln – Beckstein wird weiter rütteln. LUKAS WALLRAFF