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: HELMUT HÖGE über die taz

„Die größte Schülerzeitung der Welt“ (Eigenwerbung)

Auf der märkischen Ranch des taz-Geschäftsführers fand kürzlich ein „Wir-müssen-nicht-gerettet-werden-Sommerfest“ statt: Nach größeren AKW-Havarien (Harrisburg, Tschernobyl), sozialen Verwerfungen (89er-Wende, Hartz) und kriegerischen Kämpfen (Kuwait, Irak) hat die taz jedesmal einen Auflagensprung gemacht. Jetzt läuft auf Arte demnächst auch noch ein kostenloser Werbefilm über das „Projekt“: „Zwischen Marx und Mainstream“ – von zwei ehemals festen, jetzt freien WDR-Redakteurinnen. Sie haben damit leider der ehemals festen, jetzt freien taz-Mitarbeiterin Imma Harms ihr Filmprojekt über die taz verbaut.

Imma, die auf dem o.e. taz-Sommerfest bereits einen Film über die Produktion der taz- „Nullnummer“ 1978 vorgeführt hatte, wollte darin nun die Kategorien „Erfolg“ und „Scheitern“ am Beispiel der 80 ersten taz-Mitarbeiter verfolgen. Diese sind inzwischen in alle ideologischen und geologischen Winde verstreut – und in so ziemlich jedes Meinungsmedium zwischen links und rechts eingesickert. So ist die taz-Redakteurin Mariam Nirumand-Lau z.B. bei der Couponschneider-Postille Welt gelandet, gleichzeitig wird die neue Zeitschrift ver.di publik inzwischen fast zur Gänze von tazlern gemacht, die über den ersten taz-Gewerkschaftsredakteur Kempe dorthin gelangten. Kempes taz-Artikel wurden anfänglich von den Gewerkschaften scharf kritisiert. Erst boykottierten sie ihn, dann gaben sie ihm einen guten Posten.

Auch der einstige KPD-Vorsitzende Christian Semler, den die IG Druck und Papier in einem Anflug antimaoistischer Paranoia ausschloss, wurde inzwischen rehabilitiert. Man bot Semler sogar einige Schulungskurse für umsonst an, nachdem er bei der taz untergekommen war. Umgekehrt wanderte der ehemalige taz-Kulturredakteur Mathias Bröckers als Hanfdampf in die Schweiz aus, und der erste taz-Reprofotograf heiratete eine Häuptlingstochter auf den Salomonen-Inseln, wo er nun einen Kiosk betreibt.

Karrieren standen ansonsten vor allem den so genannten Kopfarbeitern (Sitzredakteuren) offen, die über ihre Namen – erst z. B. zur Süddeutschen Zeitung, dann zu Mare und schließlich zum Tagesspiegel rutschten, um endlich Redenschreiber eines Politikers zu werden. So gut wie niemand verschwand sang- und klanglos – z. B. in einer Landkommune am Fuß der Pyrenäen. Stattdessen produzieren sie nebenbei immer mehr Bücher. Nicht so die Handarbeiter, die das „Projekt taz“ inzwischen auch emotional tragen müssen, seitdem viele Redakteure die taz als Sprungbrett sehen. Oft sieht man ersten Artikeln eines Neuredakteurs bereits an, in welches Montagsmagazin es ihn zieht.

Am Anfang der taz behauptete der Nullnummern-CvD noch: „Unabhängig von den offiziellen Nachrichten werden wir selbst bestimmen, was Aktualität hat“, woraufhin der taz-Gründer Christian Ströbele erklärte, was das sein könnte: „Meine Bauchschmerzen zum Beispiel.“ Der spätere Grünenpolitiker tat sich dann vor allem als Raumfeger und Aschenbecherleerer hervor – wofür ihm alle maoistische Hochachtung gebührt, außerdem bewährte er sich, zusammen mit Armin Meyer, auch wiederholt als Krisenmanager.

Was der taz-Geschäftsführer Ruch gelegentlich durch reine Alltags-Interpretation schafft. So meinte er 1999, auf dem Höhepunkt der Redakteursfluktuation: „Das könnten ruhig noch mehr sein, damit vermeiden wir Überalterung.“ Während er auf dem vorläufigen Höhepunkt der Umwandlung fest angestellter Redakteure in unterbezahlte freie bei den Kapitalmedien behauptete: „Das ist gut, bald hinken wir mit unserem mickrigen Fast-noch-Einheitslohn nicht mehr hinterher, der wird sogar noch begehrlich!“. Und tatsächlich startete er dann eine erfolgreiche Werbekampagne „Be a Ranch-Hand!“. Ich bewarb mich als Erster: Es war der alte Briefeinsortierjob (mit Essensmarken-Zulage und Fahrradständer-Nutzungsrecht).