: Kölner Kids wollen nicht länger betteln
Jugendzentren wie das „Teentown“ in der Stegerwaldsiedlung bieten oft echte Lebenshilfe. Weil das Land aber Geld sparen will, droht vielen Einrichtungen das Aus. Nun wollen sie das Thema in den Kommunalwahlkampf tragen
Köln taz ■ „Teentown“ steht auf einem bunten, selbst gemalten Schild, das über einem nicht mehr ganz neuen Basketballkorb am Eingang eines Hauses hängt. Sechs Jugendliche, um die 18 Jahre alt, hängen vor der Tür herum, sitzen auf den Bänken oder kicken einen Ball umher: Erst ab halb sechs dürfen sie in das Jugendzentrum, zuvor ist es nur für die Jungen und Mädchen von 7 bis 14 Jahren geöffnet.
Hilfe bei Jobsuche
Im Teentown in der Ulitzkastraße – mitten in der Stegerwaldsiedlung am Rande von Mülheim – treffen sich Jugendliche seit vielen Jahren. Vier Tage in der Woche ist das Teentown offen, dann spielen sie Billard, Tischtennis oder Tischkicker, „daddeln“ an der Playstation, „labern“ oder spielen auf der Wiese hinter dem Haus Fußball. „Auch wenn hier zu ist, können wir auf den Fußballplatz. Man kann hier Bälle auch übers Wochenende ausleihen“, erzählt Dennis.
Doch das Jugendzentrum ist nicht nur Freizeiteinrichtung, sondern auch Lebenshilfe. Viele kommen seit frühester Kindheit hierher. Okan etwa seit er sieben Jahre alt ist. Inzwischen ist er 24 und studiert. „Der Fabian“ – der Leiter der Einrichtung – „hilft auch bei Bewerbungen, kümmert sich darum, wenn einer mal Stress hat, macht Veranstaltungen mit Betriebsvertretern, von denen man Adressen und Ansprechpartner für die Jobsuche bekommt“, erzählt Okan. „Ich würde sagen, bestimmt die Hälfte der 17- bis 19-Jährigen hier haben ihre Lehrstelle mit Fabians Hilfe bekommen.“
Neben der so genannten „Offenen Tür“ gibt es für die 10- bis 14-Jährigen eine verbindliche Mittagsbetreuung mit warmem Essen und Hausaufgabenhilfe. Das ist für viele Kinder der Gegend die einzige Betreuungsmöglichkeit, denn in den Hort können sie nur bis zur vierten Klasse. „Oft können die Eltern gerade in den oberen Klassen nicht bei den Hausaufgaben helfen, zum Beispiel in Englisch oder in Mathe“, meint Leiter Fabian Schmitz. Besonders in der Stegerwaldsiedlung, in der 50 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund hätten, sei diese Hilfe dringend notwendig. Die Besucher des Teentowns kämen sogar zu 82 Prozent aus Einwandererfamilien. Doch die Hausaufgabenhilfe, die von der Stadt Köln finanziert wird, soll Ende 2004 auslaufen.
Nicht nur einzelne Projekte, sondern ganze Einrichtungen sind bedroht. Bereits im letzten Jahr mussten durch die punktuellen Einsparungen der Stadt, die so genannten „qualitativen Kürzungen“, sechs Jugendzentren in Klettenberg, Esch, Nippes, Longerich, Lindenthal und in der Innenstadt aufgeben. Hinzu kommen die Einsparungen im Landeshaushalt, die zu Jahresbeginn beschlossen wurden: Innerhalb von zwei Jahren werden die Mittel von etwa 30,8 Millionen Euro im Jahr 2003 auf 19 Millionen Euro landesweit gekürzt. „Wenn die Stadt die Kürzungen des Landes nicht mit eigenen Mitteln ausgleicht, dann können wir alle dicht machen“, beurteilt Schmitz die Situation. Denn Stadt und Land bezahlen etwa 85 Prozent der freien Kinder- und Jugendarbeit, die restlichen 15 Prozent müssen von den Einrichtungen beziehungsweise von deren freien Trägern übernommen werden. Im Falle des Teentowns kommt das Geld von der katholischen Kirche oder aus Spenden.
Jetzt ist allerdings durch den großen Erfolg der Volksinitiative „Jugend braucht Zukunft“, bei der fast zweieinhalb Mal so viele Unterschriften wie die benötigten 66.000 in NRW gesammelt wurden, Bewegung in die Parteien gekommen. SPD und CDU wollen die Forderungen erfüllen und die Kinder- und Jugendarbeit von einer „Freiwilligen Leistung“, die man in Zeiten klammer Kassen jederzeit kürzen kann, in eine „Pflichtleistung“ umwandeln.
Zum einen würde damit eine Grundförderung durch das Land NRW festgelegt – in der Höhe von 2002, was mit etwa 100 Millionen Euro 0,2 Prozent des Landeshaushalts entsprechen würde. Zum anderen würden auch die Kommunen zu einem „angemessenen Beitrag“ verpflichtet. „Doch auf einen festen Betrag wollen sich die Kommunen vom Land nicht festlegen lassen“, sagt Norbert Hubweber von der Landesarbeitsgemeinschaft für die katholische Kinder- und Jugendarbeit. Und ohne die Zustimmung der Kommunen sei die Verabschiedung des Gesetzes nicht möglich.
Dezentrale Aktionen
Daher möchten die etwa 50 Jugendzentren der freien Träger in Köln das Thema Jugendzentren jetzt in den Kommunalwahlkampf tragen. Sie veranstalten vom 9. bis 11. Juli die „Tage der offenen Jugendarbeit“. Fast alle Freien Träger veranstalten dezentrale Aktionen, damit sich Politiker und interessierte Bürger ein Bild ihrer Arbeit machen könnten. „Außer zu protestieren, wollen wir auch mal zeigen, was wir eigentlich leisten“, beschreibt Schmitz. „Diese Kinder und Jugendlichen sollen nicht ständig darum betteln müssen, ein Jugendzentrum zu haben. Es ist ihr Recht.“ Sonja Gündüz