Konferenzenkirchen redet weiter

Die Gelsenkirchen-Konferenz bringt viele Konzepte, aber keine konkrete Hilfe für die angeschlagene Stadt. Einige hundert der tausend verloren geglaubten Jobs retten die Tarifpartner jedoch selbst

AUS GELSENKIRCHENMANFRED WIECZOREK

Auch nach über dreißig Reden wusste kaum jemand so recht, woran er war: „Den Erfolg der Veranstaltung wird man nicht morgen und auch nicht in einem Monat messen können“, sagte Oberbürgermeister Oliver Wittke (CDU) zum Abschluss der Gelsenkirchen-Konferenz im Gebäude der ehemaligen Zeche Nordstern.

Klar wurde den rund 150 Teilnehmern aus lokaler Politik und Wirtschaft vor allem eines: Es soll fleißig weitergeredet werden. „Die Ergebnisse von heute werden bei der Emscher-Lippe-Konferenz eingebracht“, sagte Wittke. Dann wird die rot-grüne MinisterInnenriege mit Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) in Gelsenkirchen erwartet. Für das Frühjahr 2005 hat Wittke zudem eine Folgekonferenz angekündigt. Außerdem will er eine Bildungs-Konferenz einberufen. Damit reagiert er auf den Vorwurf von SPD und Grünen, er kümmere sich zu wenig um weiche Standortfaktoren wie Bildung und Kultur.

„Wir werden das heute vorgelegte Aktionsprogramm auf Realisierungsmöglichkeiten prüfen“, kündigte Jörg Bickenbach, Staatssekretär im NRW-Wirtschaftsministerium an. Mehr gab es vom Vertreter der Landesregierung nicht. Dafür einen Tipp von Fridhelm Marx, Ministerialdirigent im Bundeswirtschaftsministerium: Gelsenkirchen sei vom Land NRW nicht für den Höchstfördersatz von 28 Prozent bei der einzelbetrieblichen Zuschussförderung ausgewiesen. Marx: „Das ist Ländersache.“ Handfester wurde Regierungspräsident Jörg Twenhöven (CDU). So seien zum Beispiel Förderanträge für eine Ansiedlungsoffensive von Unternehmen im Bereich regenerativer Energien längst gestellt. Seine Forderung: Das Inkubator-Zentrum auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Hugo müsse ausgebaut werden. Zudem müsse die Erschließung der Industriebrachen Chemische Schalke und des Kraftwerkes Graf Bismarck vorangetrieben werden, die derzeit wegen der Koordinierung der vielen Fördertöpfe stocke.

Mit OB Wittke teilt Twenhöven ein besonderes Anliegen: „Gelsenkirchen-Scholven ist ein hervorragender Standort für ein Steinkohle-Referenz-Kraftwerk.“ RWE, EON und Steag könnten dort mit hoch effizienter Kraftwerkstechnologie das mehr als 30 Jahre alte Scholvener Kraftwerk ersetzen. „Diese Technologie hat beste Exportchancen“, sagte Twenhöven. Die Kraftwerksansiedelung könnte „der ganz große Stein“ werden, den NRW-Wirtschaftsminister Harald Schartau (SPD) Wittke zufolge in die Stadt rollen möchte.

Erfolge konnten die Betriebsräte der Unternehmen vermelden, die Arbeitsplatzabbau angekündigt hatten: So wird der Heizgeräte-Hersteller Vaillant nicht ganz aus Gelsenkirchen verschwinden. Von 256 Arbeitsplätzen bleiben rund 110. Etwa 50 Arbeitsplätze von 215 können beim Rohrfertiger Saint Gobain erhalten bleiben, um Rohre aus China weiterzuverarbeiten. Ernst Majewski, Betriebsrat beim Glashersteller Pilkington hofft, 20 von 80 bedrohten Arbeitsplätzen über flexiblere Arbeitszeiten und Einschnitte beim Haustarif zu retten. Lohnverzicht könnte auch beim Autozulieferer TRW der Weg sein, damit nicht alle 440 Arbeitsplätze wegbrechen.

„Die viel gescholtenen Betriebsräte und Gewerkschaften werden mehrere Hundert der über 1.000 bedrohten Arbeitsplätze erhalten“, so Josef Hülsdünker, Vorsitzender des DGB Emscher-Lippe. Die PolitikerInnen stünden jetzt unter Druck: „Die müssen was bringen.“ Die Schonfrist endet am 19.Juli. „Dann muss klar gesagt werden, was geht und was nicht“, resümierte der CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Meckelburg.