: Der Fan der Woche
Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel war diese Woche bei Robbie Williams im Konzert. Was hat das zu bedeuten?
Angela Merkel ist neuerdings Fan von Robbie Williams. Jedenfalls war sie in Berlin im Konzert. Sie hatte die Karten nach eigener Aussage „von einem Bekannten“.
Merkel, 48, Berufspolitikerin, kommt aus Templin und ist Vorsitzende der CDU Deutschlands. Robbie Williams, 29, Popmusiker, kommt aus Stoke on Trent, Mittelengland, ist einer der wenigen Mitglieder der obersten Liga des europäischen Mainstream-Pop.
Was wollte Merkel bei Williams? Drei Möglichkeiten:
1. Sie ist geheime Popbeauftragte der CDU oder CDU/CSU.
2. Sie sieht es als Teil der Arbeit einer Partei- und Oppositionsführerin.
3. Williams gefällt ihr wirklich.
Vernachlässigen wir hier mal Punkt 1 und streifen zunächst Punkt 3. Merkel hat zu Hause noch keine Platte von Williams. Das spricht nicht für eine intensive Beschäftigung. Aber: Sie kennt das Oeuvre und mag am liebsten „seine Balladen“. Das spricht für ihre weibliche Seite, für ihre Gefühle „als Frau“ (Bärbel Schäfer). Als ganz normale, junge, reife Frau. Williams ist ja interpretationsoffen. Einerseits ein durch „Demütigungen und Verletzungen“ (SZ) früh verbitterter Zyniker wie Friedrich Merz. Andererseits ein frecher Lausbub, aber mit Herz: Vom Minnemotiv in Williams’ Liebesliedern fühlen sich viele junge, reife Frauen berührt. Und haben nicht Williams’ beste Ballade, „Angels“, und Merkels Vorname fünf Buchstaben gemein?
Tja, und damit zu Punkt 2: Wie kommt Merkels Fantum rüber?
Als Merkel in blauem Blazer die Waldbühne betrat, soll es zu Jubelszenen im Publikum gekommen sein. Merkel, berichtet Bild, sei nun „Kult unter jungen Leuten“. Das muss man ernst nehmen, schließlich hat Williams diese Woche auch eine alte Trainingsjacke zu „Kult“ gemacht (Quelle: Welt). Allerdings hat die taz auch Zeugen, die aussagen, Merkel sei kräftig ausgebuht worden. Sei’s drum: Man erkennt jedenfalls die Absicht. Merkel bricht die kulturelle Rückständigkeit auf – übrigens nicht nur im Vergleich mit der SPD, sondern gerade auch mit Stoiber et alii. Dass sie als Nächstes nach Bayreuth will? Zeigt Gespür für die Stammkundschaft und ihre breiten Interessen.
Zusammenfassend muss man sagen: Merkel hat zwei gute Wochen hinter sich. Die Frisur sitzt (Quelle: Udo Walz). Sie wurde zu jener Frau erklärt, auf deren Machtergreifung die neue Frauenmacht Deutschlands geschlossen hinmoderiert (Quelle: FAZ). Sie fiel gegenüber Christiansen und Clinton nicht unangenehm auf bzw. gar nicht. Die Kritik an ihrer Kleidung: Was, bitte, versteht Heiner Geißler von Mode? Und speziell in Sachen Roland Koch hat sie tatsächlich etwas gewonnen. Beziehungsweise keine Niederlage erlitten. Genau wie es das System Merkel vorschreibt. Kleine Schritte. Nichts zu früh riskieren. Nicht auffallen. Abwarten. Nie würde sie gleich mit Robbie Williams Gokart fahren gehen wie Cameron Diaz. Oder mit ihm versumpfen wie Danii Minogue. Oder „Fuck me, Robbie“-T-Shirts tragen.
So kann mal wieder keiner sagen, ob sie Robbie nicht vielleicht sogar liebt. Sie wird sich erst äußern, wenn die entsprechende Lage entstanden ist. Also im Frühjahr 2006. Plötzlich, wenn keiner mehr mit ihr rechnet: wird sie Robbie Williams heiraten. Das zeigt dann erstmals die volle Bandbreite ihrer privaten und politischen Möglichkeiten. PETER UNFRIED