Fußball aus alten Tagen

Westfalia Herne wird 100. Die großen Zeiten des Traditionsclubs liegen ein halbes Jahrhundert zurück

HERNE taz ■ 1904 war wohl ein gutes Jahr. Für das Ruhrgebiet, vor allem für den Ruhrgebietsfußball. Der FC Schalke 04 wird in diesem Jahr gegründet, Langendreer 04 und auch der „Sport-Club Westfalia 04 Herne“. Am 13. Juni gründen 16 junge Männer aus den oberen Schichten – die proletarischen Wurzeln des Fußballs sollten erst viel später begründet werden – den Traditionsverein vom Schloss Strünkede. Für 80 Mark pro Jahr wird eine Wiese im Schlosspark gemietet. Wenig später schließt man sich dem Deutschen Fußballbund an.

Zwei Tage verfrüht feiert der Club nun sein Jubiläum. Mit einem Spiel der Herner Traditionsmannschaft gegen „Das Wunder von Bern“-Team. Auf Herner Seite mit dabei: Alfred Pyka von der westdeutschen Meistermannschaft aus dem Jahr 1959, Jochen Abel, Schütze zum Zweitligaaufstieg 1975 und bis heute erfolgreichster Spieler des Nachbarn VfL Bochum und Schauspieler Joachim Krol. Das Wunder-Team, bestehend aus ehemaligen Amateurspielern wird von Regisseur Sönke Wortmann verstärkt. Anstoß: 18.30 Uhr, Schloss Strünkede. Parallel dazu wird auch der Jubiläumsband „Viel mehr als nur ein Spiel – 100 Jahre SC Westfalia 04 Herne“ vorgestellt.

Die Geschichte von Westfalia Herne verläuft wechselhaft. Bereits fünf Jahre nach der Gründung steigt der Club in die Bezirksliga, damals die höchste westdeutsche Spielklasse, auf. Bis in die 40er Jahre gehört Westfalia Herne zu den erfolgreichsten Ruhrgebietsclubs – auch wenn Titel ausblieben. Im ersten Spiel nach dem Krieg wird Schalke 04 mit 3:1 besiegt.

Ende der 50er Jahre erleben die Herner ihre erfolgreichste Phase: In der Saison 1958/59 wird Westfalia Herne Westdeutscher Meister. Die Spieler: Torhüter Hans Tilkowski, der spätere Stuttgarter Meistertrainer Helmut Benthaus und Rekordspieler Alfred Pyka. Ein Jahr später scheitert das Team in der Endrunde zur deutschen Meisterschaft am Hamburger SV. 3:4 heißt es im entscheidenden Spiel am Schloß Strünkede.

Die verpasste Qualifikation zur Bundesliga 1963 leitet den langsamen Abstieg von Westfalia Herne ein. Im Jahr 1975 gelingt zwar noch einmal der Aufstieg in die zweite Bundesliga. Wenig später muss Sponsor Erhard Goldbach seine 250 Goldin Tankstellen schließen. Steuerschulden in Höhe von 340 Millionen Mark haben sich angehäuft. Westfalia verliert die Lizenz. Für Herne ist es der Abschied vom Profifußball.

Mittlerweile ist Westfalia Herne in der fünftklassigen Verbandsliga angekommen. In der abgelaufenen Saison scheiterte der Verein im Aufstiegskampf an der Spielvereinigung Erkenschwick. Für das nächste Jahr ist der Oberliga-Aufstieg angeplant – auf das der Verein im Schatten der großen Nachbarn nicht verschwindet. HOLGER PAULER