Türkei-Bashing im Sauerland

Christdemokrat aus dem Märkischen Kreis hetzt im Europawahlkampf gegen EU-Beitritt der Türkei. CDUler fürchtet „5 Millionen Einwanderer“ aus der Türkei und warnt vor 25 Millionen Bauern

VON MARTIN TEIGELER

Der CDU-Provinzpolitiker Alexander Klinke geht mit Türkei-Bashing auf Stimmenfang für die Europawahl. Wenige Tage vor dem Urnengang am Sonntag veröffentlichte der christdemokratische Fraktionschef von Neuenrade (Märkischer Kreis) ein Pamphlet gegen den möglichen EU-Beitritt der Türkei. In der sauerländischen Lokalpresse bezeichnete Klinke die Türkei als wirtschaftliches „Fass ohne Boden“ und als Gefahr für die EU: „Die Aufnahme der Türkei in die EU bringt mindestens 5 Millionen Einwanderer.“ Belege für seine wirren Thesen liefert Christdemokrat Klinke nicht.

Schon der erste Satz der Tirade ist schlicht falsch: „Am 13. September ist Europawahl.“ Danach wettert CDU-Mann Klinke sogleich gegen die wirtschaftlich rückständige und religiös intolerante Türkei. „Das Land, aus dem die meisten Asylbewerbern nach Deutschland kommen, ist die Türkei.“ Dass die Asylbewerberzahlen aus der Türkei seit Jahren rückläufig sind und mit wenigen Tausend nicht annähernd an die phantastische Zahl von fünf Millionen Einwanderern heranreicht, verschweigt der Christdemokrat. Statt dessen agitiert der bürgerliche Politiker lieber gegen „25 Millionen Bauern in der Türkei, die es auf Zuschüsse aus der Landwirtschafts-Subventionspolitik der Europäischen Union abgesehen haben“. Auch geopolitische Gedanken macht sich Klinke. Im Falle eines EU-Beitritts der Türkei „stößt die Außengrenze der Europäischen Union dann an Syrien und den Irak“. Der Außen- und Geopolitiker aus dem Sauerland kann einfach nicht verstehen, dass die EU-Politiker auch nur daran denken, die Türkei aufzunehmen. „Der Gedanke ist grotesk. Das kann alles doch wohl nicht sein.“

Öffentlich reagierten in dem kleinen 13.000-Einwohner-Städtchen Neuenrade bislang nur die Grünen auf das Konvolut des Konservativen. „Den Eindruck, den die CDU-Fraktion in ihrer Stellungnahme zu erwecken versucht, ein Beitritt der Türkei stehe unmittelbar bevor, ist falsch“, sagte Karl Kaluza im Namen des grünen Ortsverbandes Neuenrade. Es gehe erst Ende des Jahres darum, ob die Verhandlungen mit der Türkei beginnen. Zudem werde diese Entscheidung nicht vom EU-Parlament, sondern vom Europäischen Rat getroffen. „Die Instrumentalisierung der Türkei im Europawahlkampf geht an der Realität vorbei“, so Kaluza. Christdemokrat Klinke schüre Ängste, die auf dem Rücken der türkischen Mitbürger ausgetragen würden.

Eine Reaktion der Neuenrader SPD steht noch aus. „Da wird auch nichts kommen. Einige Sozialdemokraten sind hier genauso gegen Ausländer und Asylbewerber wie Klinke“, so ein Neuenrader Lokalpolitiker. Zudem sei der CDU-Fraktionschef eine „graue Eminenz“ im Ort, einflussreicher Unternehmer und angeblicher Einkommensmillionär. Klinke selbst verteidigte gegenüber der taz seine Rede: „Das war keine Stimmungsmache, das war eine Stellungnahme.“