S-Klasse-Jazz

Souverän und sehr gediegen: Die Crusaders konnten sich im ColumbiaFritz auf Fans ohne Hit-Fixierung verlassen

Da hat man sich schon mal ein anspruchsvolles, aber gut konsumierbares Konzert ausgeguckt, hat die Herzdame als Begleitung gewonnen und das Silberhaar in Form gebracht. Man hat den Tag im Büro zeitig beendet, ist in legere Freizeitkleidung gestiegen, hat einen Parkplatz gefunden, alles bestens, und dann fängt der Muskelmann an der Tür an, das Herrenhandtäschchen zu durchwühlen.

Das ist demütigend, da hilft nur ein Versuch, die Situation zu überspielen. Zum Beispiel, indem man das Security-Tier zu einem Service-Menschen umdeutet: „Muss man denn stehen oder kann man sitzen?“, fragt der Herr mit Tasche vor dem Bauch. Damit hat der Türsteher nicht gerechnet. Erstens, weil er hier die Fragen stellt. Zweitens, weil es doch selbstverständlich ist: „stehen.“

Dabei hätte eine Bestuhlung besser gepasst: Schlag 20 Uhr gehen die Crusaders auf die Bühne, ganz in noblem Schwarz. Von den Gründungsmitgliedern sind noch Keyboarder Joe Sample und Saxofonist Wilton Felder übrig, immerhin zwei der drei zentralen Leute, die den Crusaders-Sound in den 1960er-Jahren erfunden haben. Gitarre spielt neuerdings Ray Parker Jr., der Anfang der 80er mit „Ghostbusters“ den Hit zum Blockbuster lieferte. Die Crusaders engagierten ihn für ihr Reunion-Album „Rural Renewal“, das Ende Mai erschien und Anlass der Tour ist. Eine Tour, die durchaus Sinn macht: Es sind nicht nur die alten Hits, wegen denen sich das gediegene Publikum ins ColumbiaFritz stellt, auch die neuen Stücke werden nach den ersten Tönen mit Vorschuss-Applaus begrüßt. Außerdem klatschen die Leute höflich nach jedem Solo und machen klar: Die Souljazz-Erfinder Crusaders werden mehr für den Jazz als für den Soul geschätzt, wichtiger als das sanfte Mitgrooven ist das genaue Zuhören. Dabei erfinden sich die Crusaders an diesem Abend nicht neu, machen lediglich, was zu erwarten war, nüchtern und souverän.

Gut passt da als Gaststar Randy Crawford, die Diva, die keine ist und das auch weiß. Crawfords wuchtiger Hüftschwung ist nur Spiel, ihre Posen im körperbetonen Top nur Spaß, aber den Schmusesoul meint sie ernst. Das ist wie S-Klasse-Fahren mit Autopilot, zweifellos angenehm, doch keineswegs spannend. „The Thrill Is Gone“, klar, und natürlich der gemeinsame Hit, „Street Life“. Aber da hakt es dann, da fehlt der Drive, den man erwartet. Geschenkt: Crusaders-Fans sind Kenner ohne Hit-Fixierung. „Schön, dass man das erlebt hat“, sagt einer im ColumbiaFritz-Biergarten. „Nicht so ein Kiddy-Konzert, wo du nachher einen Tinnitus hast.“ KLAUS IRLER