: Theater für Fairplay beim Geschäft
Zum Auftakt der Fußball-EM zeigt die „Kampagne für ‚saubere‘ Kleidung“ den Markenfirmen Adidas, Puma & Co. mit einem Aktionstag in Köln die gelbe Karte. Moniert wird „100 Prozent Ausbeutung“
VON INGE BRUNNER
„Näherinnen schuften in China. Karstadt lebt von Hungerlöhnen.“ Diese Aufschrift prangt auf einem großen chinesischen Stoffdrachen, der von fünf Kölner Studentinnen und Studenten getragen wird – mitten hinein in die Karstadt-Sportfiliale im Olivandenhof. Ein Aktivist, verkleidet als Fabrikant mit fetter Zigarre, preist dröhnend „Markenware“ an. Darauf antwortet der Chor der Arbeiterinnen: „Keine Pausen“, „Entlassung bei Schwangerschaft“ und „Überstunden“.
Aktionstheater am Samstag Nachmittag in den engen Verkaufsräumen – das macht die Kunden neugierig. „Arbeitsbedingungen verbessern? Find ich gut! Könnte man hier auch mal“, scherzt eine Verkäuferin, die sich das Spektakel anschaut. Währenddessen läuft die „Aktion Etikettenschwindel“: Mitglieder der „Christlichen Initiative Romero“ aus Münster pinnen Zettel auf die Stoffetiketten von Sportshirts. Darauf steht „Made in Hell. Hergestellt im rechtsfreien Raum. 100 Prozent Ausbeutung“. Warum sie sich ausgerechnet Karstadt für die Aktion ausgesucht haben? „Immerhin ist Karstadt Deutschlands größter Verkäufer von Sportartikeln“, erklärt Maik Pflaum von Romero.
Sozialstandards
Zunächst greift keiner ein. Doch nach zehn Minuten rückt der Filialleiter mit drei Bodyguards an und fordert „die Damen und Herren höflich auf“, sofort das Geschäft zu verlassen. Als das nicht wirkt, geht ein muskelbepackter Bodyguard auf einen Drachenträger los und bugsiert ihn unsanft zur Ladentür.
Bevor die Situation weiter eskaliert, verlassen die Mitglieder der „Kampagne für ‚saubere‘ Kleidung“ das Geschäft. Sie versuchen, unter dem Glasdach des Olivandenhofes weiter zu machen. Doch ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes droht den Aktivisten mit vorläufiger Festnahme. Wenig später taucht Karstadt Köln-Geschäftsführer Achim Grunwald auf. Er verteilt Prospekte zum „Karstadt Code of Conduct“. Darin ist von Arbeitnehmerrechten und Umweltstandards die Rede. „Wir wissen selbst, dass es zu kurz gedacht wäre, nur möglichst billige Ware zu kaufen“, versichert er. „Deshalb kontrolliert unsere Auslandsabteilung mit Stichproben, ob die Zulieferer unsere Sozialstandards einhalten.“ Die Zuhörer sind nicht überzeugt. Denn eine ehemalige Näherin hat ihnen berichtet, dass es anders ist.
Sonia Lara Campos aus El Salvador wurde aus einer Nähfabrik rausgeworfen, weil sie die Arbeiter gewerkschaftlich organisieren wollte. „In El Salvador gibt es vier Fabriken, die für Adidas arbeiten“, berichtet sie. Lara Campos recherchiert seit ihrer Entlassung für eine regierungsunabhängige Organisation, die die Arbeitsbedingungen in salvadorianischen „Sweat Shops“ überprüft. Sie heißen dort „Maquilas“, Weltmarktfabriken. Heimlich trifft sich Lara Campos mit Arbeiterinnen und befragt sie. Der Monatslohn einer Näherin in El Salvador entspricht mit 151,20 US-Dollar brutto dem staatlich festgesetzten Mindestlohn. „Ende Januar stieg die Produktion in den Fabriken stark an. Man sagte den Näherinnen, sie müssten jetzt Überstunden machen, weil in Europa ein großes Spiel anstehe“, erzählt Lara Campos. Dass jenseits des Ozeans bald die Fußball-EM beginne und auch Olympia ins Haus stehe, ihnen nicht erklärt worden.
Kein Aufruf zum Boykott
Seitdem schieben laut Lara Campos die Näherinnen bei Adidas in El Salvador samstags und sonntags Sonderschichten, außerdem werktags Überstunden. In einer der Fabrikhallen hingen Überwachungskameras, Aufseher forderten Näherinnen zum Weiterarbeiten auf, wenn sie zur Toilette gehen wollen. Seit Anfang März seien die Toiletten verschlossen, die Arbeiterinnen müssten bei der Aufsicht um den Schlüssel bitten. „Gewerkschaften gibt es dort nicht, nur ein Komitee, das von der Geschäftsführung ernannt wird. Aber deren Zweck ist nur die Organisation der jährlichen Betriebsfeier.“
So drastisch die Schilderungen sind – die „Kampagne für ‚saubere‘ Kleidung“ will keinen Kaufboykott durchsetzen. Sie appelliert an das soziale Gewissen der Markenhersteller. Während des ganzen Sportsommers werden Postkarten verteilt. „Die Kehrseite der Medaillen: Die Arbeitnehmer hinter der Marke“, so ist die Karte an Adidas-Direktor Frank Henke überschrieben. Darin wird eine Auftragsvergabe nach sozialen Standards gefordert. Die Einhaltung der Arbeiterrechte soll von einer unabhängigen Instanz geprüft werden. „Bitte informieren Sie mich über Ihre weiteren Schritte“, ist noch zu lesen.