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Archiv-Artikel

berliner szenen Ziviler Pergamonaltar

Offiziere und Titanen

Samstag. Museumsinsel. Schwüles Wetter. Alle Welt schaut sich den restaurierten Pergamonaltar an. Auch ein deutscher und ein amerikanischer General – oder vielleicht auch nur Oberste, was weiß ich, man hat diese vielen Zeichen, die Offiziere ständig an der Jacke rumschleppen, ja heutzutage einfach nicht mehr drauf.

Nun kommt’s: Eigentlich wollte ich nämlich eine Szene über diese beiden Offiziere schreiben. Wie der deutsche natürlich schneidig aussieht, als könnten deutsche Armeen gar nicht verlieren, und der amerikanische so harmlos dreinschaut, als sei die US-Armee eine zurückgebliebene Handwerkertruppe. Wie der deutsche Offizier vor dem amerikanischen tut, als habe er die Hochkultur in die Wiege gelegt bekommen … was einem in solchen Momenten so auffällt.

Aber dann fiel mir vor allem auf, wie fremd sich diese Ausgehuniformen doch mittlerweile ausnehmen, und das selbst in solch preußischem Ambiente! Was einem wirklich aufgehen kann, während man in den Touristengruppen schwitzt: wie hübsch das bunte Treiben der Besucher doch das grausame Ringen der Steinfiguren kontrastiert! Shorts und Hemd aus der Hose hier, mythisches Ringen der Götter und Titanen dort – tausende Jahre Zivilisationsprozess treffen aufeinander, und irgendwie scheint dieser Prozess doch nicht ganz ohne Ergebnis geblieben. Macht sich inzwischen recht seltsam aus, die in Stein gehauene Metzelei, so zwischen Bierbauchträgern und Händchen haltenden Paaren!

Old Europe! Ha! Und selbst solche Uniformen, vor denen man mal strammstand, sind nichts weiter als bunte Farbkleckse in einem höchst zivilen Treiben. Das war dann gerade mal ein recht triumphaler Moment. DIRK KNIPPHALS