Bisschen zu viel Medienmacht

betr.: „Spießig, muffig, arrogant“ (Christoph Biermann über unser aller „Sportschau“), taz vom 10. 7. 03

Ein schöner Artikel über die „Sportschau“. Der Exkurs in die Selbstwahrnehmungstheorie ist mir doch korrigierungsbedürftig. Es steht da: „Ein Stück von sich im Fernsehn zu sehen, das war damals, vor gut zweieinhalb Jahrzehnten, eine tolle Bestätigung dafür, dass es einen gab.“

Das ist ein bisschen zu viel Medienmacht, gerade für „damals“. Ich selber war im Jahre 1973 in der „Tagesschau“ zu sehen, anlässlich eines Tages der offenen Tür in Bonn, als Fünfjähriger, ein süßes Bild eines blonden Deutschen im Garten des Palais Schaumburg, oder war es gar die Hardthöhe, ein Besucher nur, jedenfalls zwei Sekunden Bildschirm füllend ich, den Daumen im Mund. Zur besten Sendezeit.

Aber das war (und ist heute) nicht die Bestätigung meiner selbst. Das war ich, und zwar in einem sehr besonderen, nämlich berichtenswerten Moment. Hart getimte Beiträge, 15 Minuten „Tagesschau“, der Bericht über den Tag der offenen Tür zweieinhalb Minuten, cut. Und genau das warst du, Christoph, beim VfL in der Sportschau. Das, wo du dabei warst, war ausgesucht. Wenn die Kamera dich da erfasste, war es wichtig, sonst wäre die Kamera nicht da gewesen. An vielen anderen Orten war in dem Moment keine Kamera! Das war es, wichtig, zur richtigen Zeit am richtigen Ort. […]

Dass es mich gab, spürte ich schon damals ganz woanders.

MARTIN FUCHS, Hamburg, seitdem nie wieder im TV

Natürlich war die „Sportschau“ spießig und muffig. Deswegen war sie aber nicht realsozialistisch, sondern einfach nur westlicher medialer Zeitgeist. Herr Biermann war bestimmt sehr erleichtert, als er sich an ihrer Stelle endlich gänzlich unspießige Gewinnspielchen und Werbesendungen mit gelegentlichen Fussballeinspielungen angucken durfte. Aber keine Sorge, die „Sportschau“ wird auch jetzt dem Zeitgeist gemäß erscheinen und ihn somit nicht mit Fußball langweilen, sondern mit Produktinformation, Datenbanken und anderem Geblödel bestens unterhalten. Und bestimmt völlig „unspießig“ in seinem Sinne, da weitgehend fußballfrei. SVEN KÄMPER, Hamburg