Von Entspannung ist in Darfur keine Rede

Internationale Beobachter kommen in das Kriegsgebiet im Westen Sudans, um einen Waffenstillstand zu überwachen. Aber die Darfur-Rebellen sammeln neue Rekruten, und die Dschandschawid-Milizen werden von ganz oben protegiert

NYALA taz ■ Viel Sand und wenig Schatten umgeben das Dutzend wacklige Strohhütten. Das kleine Vertriebenenlager Mosai liegt bei Nyala, Provinzhauptstadt von Süd-Darfur. „Unser Dorf Kuala wurde von Rebellen oder ihren Anhängern angegriffen“, erzählt die 28-jährige Lagerbewohnerin Maryam Abdallah. „Es war Rache. Die Fur und Zaghawa glaubten, wir hätten den Dschandschawid Unterkunft gegeben.“

Die Dschandschawid sind regierungstreue Milizen in Darfur, die systematisch die Volksgruppen der Fur, Massalit und Zaghawa vertreiben und ihre Dörfer zerstören. Aber die Vertriebenen in Mosai kommen aus dem Volk der Targem, aus denen die Kerngruppe der Dschandschawid stammt. Der Krieg in Darfur ist auch ein Krieg zwischen den Völkern der Region – angeheizt durch die Unterstützung der Dschandschawid durch die Regierung.

„Wir wurden zweimal angegriffen“, berichtet Osman Adam Mahmud, einer der geflohenen traditionellen Targem-Führer von Kuala. „Sie haben unsere Häuser angezündet, unser Eigentum gestohlen oder vernichtet. Zwölf Menschen wurden getötet und einige Frauen vergewaltigt.“ Die Geschichten dieser arabischstämmigen Vertriebenen hören sich an wie die der schwarzafrikanischen Völker, die von den Dschandschawid vertrieben wurden. Nur die Zahlen sind ganz anders. Das Targem-Lager hat ein Dutzend Hütten. Das Lager Kalma auf der anderen Seite von Nyala, wo die Vertriebenen der anderen Seite leben, hat 40.000 Einwohner.

Nun soll die Afrikanische Union 120 Beobachter nach Darfur schicken, um den Waffenstilstand zwischen Regierung und Rebellen zu überwachen. Die Zahl ist gering für ein Gebiet so groß wie Frankreich, in dem es kaum Infrastruktur gibt. In der Regenzeit sind viele Straßen unbefahrbar, in der Trockenzeit ist die Sicht aus der Luft wegen der vielen Sandstürme oft schlecht.

Der Beschluss, die Dschandschawid-Milizen für ethnische Säuberung einzusetzen, wird Sudans Vizepräsident Ali Osman Taha zugeschrieben. Er führte die Regierungsdelegation bei den Friedensgesprächen mit den SPLA-Rebellen des Südsudan in Kenia und gilt als der eigentlich starke Mann der Regierung.

Oppositionelle bringen Taha in Verbindung mit der geheimnisumwitterten „Arabischen Sammlung“. Das ist ein Bündnis rund 20 arabischer Volksgruppen aus Darfur, die 1987 in einem Brief an den damaligen Premier Sadiq al-Mahdi ankündigten, die ihrer Meinung nach zu große Macht der schwarzafrikanischen Völker in Darfur einschränken zu wollen. Nach dem Brief wurde es still um die Sammlung. Aber seit Krieg in Darfur herrscht, ist die Meinung verbreitet, die Gruppierung setze ihre Ankündigungen nun in die Tat um. „Wahrscheinlich spricht jeder wieder von dieser Organisation, weil Araber aus Tschad, Mauretanien und Benin sich den Dschandschawid angeschlossen haben“, meint eine Oppositionspolitikerin. „Der Verdacht wächst, dass die Regierung versucht, Araber aus anderen afrikanischen Ländern bei sich aufzunehmen und anzusiedeln.“

Die Rebellengruppen in Darfur wachsen derweil so schnell, dass die Führer kaum die Zahl der Rekruten verkraften können. In den Vertriebenenlagern in Darfur fällt auf, wie wenig junge Männer sich dort befinden.

Das Hauptquartier der wichtigsten Darfur-Rebellenbewegung SLA (Sudanesische Befreiungsarmee) liegt im schwer zugänglichen Bergmassiv Dschebel Marra im Zentrum von Darfur. Die Armee hat den einzigen Zufahrtsweg gesperrt. Am Dorf Neyrtete am Fuß des Dschebel Marra befindet sich jetzt ein riesiges Lager und eine Garnison Soldaten und Panzer.

Die Kriegsparteien stehen sich also weiterhin bewaffnet gegenüber – aber die ethnische Säuberung ist größtenteils beendet. Die meisten ethnischen Afrikaner sind geflohen oder befinden sich in umzingelten Lagern. So haben sie nicht für die nächste Ernte pflanzen können, und es wird Hunger geben – nicht nur in den Lagern, sondern auch bei den arabisierten Hirtenvölkern, die immer Getreide, Gemüse und Zucker von den Bauern kauften. Wie werden die Dschandschawid vorgehen, wenn sie hungrig sind? ILONA EVELEENS