Das Dorf in Niger

Sanften Tourismus und einfachen Standard verspricht ein Bremer Reiseunternehmer seinen Kunden

taz ■ Fast hätte der Bremer Touristikunternehmer Werner Gartung beim Bau seines ersten Touristendorfes im westafrikanischen Niger böse gegen die Landesbräuche verstoßen: Rinderhörner wollte er in die Wand des Küchenhauses einmauern – so wie er es als optisches Schmankerl aus Südafrika kannte. „Aber als ich die entsetzten Blicke der Einheimischen sah, habe ich das sein lassen“, blickt der 54-Jährige zurück.

Der frühere Journalist, der als Korrespondent aus verschiedenen afrikanischen Ländern berichtete, hat sich mit den Gepflogenheiten seiner neuen Nachbarn mittleweile vertraut gemacht. „Das Vieh gehört bei der Volksgruppe der Peulh quasi zur Familie, Rinder tragen eigene Namen“, sagt er. Das Gastland und seine Bevölkerung zu respektieren, gehört für ihn zum Reisekonzept.

Seit 13 Jahren ist der Mann von der Weser in der Reisebranche tätig – im „sozialen Tourismus“, wie er sagt. Was er darunter versteht, zeigt sich am Beispiel des inzwischen fertig gestellten Dorfes in Niger, das am Südrand der Sahara liegt. Von hier aus werden seine Kunden aus dem ganzen Bundesgebiet Reisen unternehmen. Aber sie werden auch die Nachbarn kennenlernen. Die erste Reisegruppe seiner Agentur „Oase Reisen“ wird im September erwartet. Sie werden den gewohnten Lebensstil für die Dauer ihres Urlaubs umstellen müssen.

Das Lehmhüttendorf haben Einwohner aus der Nachbarsiedlung gebaut. Die Häuser haben weder Strom noch fließend Wasser. „Es war mir wichtig, dass das Geld, das wir investieren, auch tatsächlich den Menschen im Niger zu Gute kommt“, erklärt Reiseveranstalter Gartung. Die Einheimischen, mit denen er zusammenarbeite, betrachte er als gleichberechtigte Partner. Außerdem, so glaubt er, profitierten auch die Touristen von der Idee. „Gäbe es unser Dorf nicht, würden die Reisegruppen in einem Hotel westlichen Standards in der Stadt übernachten. Wie die Menschen in Afrika wirklich leben, erfahren sie dort nicht.“

Der Bremer Experte Reiner Zeller stimmt dem zu. Projekte wie das von Gartung gebe es immer noch viel zu wenige, bedauert der Professor für Freizeitwissenschaften und Ferntourismus an der Hochschule Bremen. Die Masse der Touristen, die in die Dritte Welt reisen, kümmere wenig, welche Folgen ihr Urlaub habe. Ob beim Bau von Hotels und Straßen oder der Auswahl der Hotelangestellten: Arbeitskräfte würden viele Veranstalter oft mitbringen. Zudem würden die Touristen die Preise vederben und knappe Ressourcen verschwenden. „Das Wasser fließt häufig in die Schwimmbäder der Fremden, für die Einheimischen bleibt dann nichts mehr übrig“, sagt Zeller.

Selbst dort, wo die Touristen Geld lassen, brächten sie nicht den Wohlstand. Zeller nennt ein Beispiel: „Wenn Touristen einer Einheimischen einen halben Dollar zahlen, damit sie sich fotografieren lässt, wird sie sehr schnell ihre traditionelle Arbeit aufgeben und versuchen, über die Touristen an Geld zu kommen. Das sehen ihre Mitmenschen, es kommt zu Neid und Missgunst, zu Prostitution und Kriminalität.“

Auch Werner Gartung wird seine Kunden immer wieder darauf hinweisen, keinesfalls Geschenke zu verteilen. „Das ist entwürdigend und verhindert die Entwicklung“, sagt er. Stattdessen will Gartung den Dorfbewohnern zu Arbeitsplätzen verhelfen – zu fairen Preisen. Seit 30 Jahren reist der Bremer regelmäßig nach Afrika. Im September wird er wieder hinfahren und bis in den Februar bleiben. „Ich möchte das Projekt aus der Nähe betreuen“, sagt er. Einen Namen haben die Menschen aus der Nachbarsiedlung schon für das Dorf: „Werner Koira“ – Werners Dorf. Steffen Hudemann