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Archiv-Artikel

Kulinarische Herzensfragen

Kiez Cuisine II: Die Straßen rund um den Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg halten auch für geübte Fresser immer wieder angenehmste Überraschungen bereit. Ein kleiner kulinarischer Spaziergang

von STEFFEN GRIMBERG

Gegend gefällig, die Weltpolitik, Kleinstaaterei, selbstbewussten Ostcharme und derzeit etwas flügellahmes Westgemüt vereint? Hinein also ins Geviert rund um Kollwitzplatz und Wasserturm. Gleich droht das Scheitern an der ersten Frage: Wo, bitte, schlägt denn nun das Herz vom Kiez?

Anstelle einer Antwort erst mal über den Markt strolchen. Der ist sams- wie donnerstags, doch nur am Wochenende sind Promis wie Bundestagspräsident Wolfgang Thierse oder Alfred „Ausgezeichnet“ Biolek in freier Wildbahn beim Einkaufen zu besichtigen. Mittlerweile hat sich die biologisch-ökologische Lebensart klar gegen Agrarindustrielles durchgesetzt. Und man kann richtig gut Weißwurst essen, mitten in Prenzlauer Berg.

Wer für die am Markt eingeholten Schätze noch Werkzeug braucht, folgt einfach dem Marktverlauf bis kurz vor Schluss und biegt dann rechts ab in Coledampf’s Cultur Centrum (Wörther Str. 39): Vom einfachen Kartoffelschäler bis zum professionellen Extrahiergerät für Krustentiere und andere Meeresfrüchtchen ist alles zu haben, dazu Accessoires aller Art – küchenfertig, versteht sich.

Für den Kaffee danach empfehlen sich die unmittelbar am Markt gelegenen Lokale zwar weniger, dafür wartet Sisters Coffee-Bar (Kollwitzstr. 76) mit einer Entdeckung auf: Dem Café angeschlossen ist „paint yourself“, kurz P.y.S., eine Malwerkstatt, wo sich jedeR an in vielen Formen vorrätigen Keramikgefäßen, -vasen, -kacheln usw. künstlerisch austoben kann. P.y.S. übernimmt dann fachfraulich Brand nebst Glasur des Ganzen, und samstags gibt es von 11 bis 14 Uhr die Malwerkstatt inklusive Kinderbetreuung, damit sich die Eltern ungestört beim Einkauf austoben können.

Bei Kaffeedurst empfohlen ist aber auch der kurze Marsch zum Wasserturm. Das Pasternak (Knaackstr. 22) bietet bewährte russische Standards mit viel saurem Rahm nebst Moskauer Bier in hellgrünen Halbliterflaschen. Schräg gegenüber im Deli steht die Espressomaschine unter Dampf, nebst feinem Aufschnitt aus Bella Italia. Wer sich ohnehin schon nach Hause bzw. zur Straßenbahn durchschlägt, kann sein Heißgetränk im Coffee Star (Wörther Str. 23) nehmen. Und direkt an der Haltestelle Marienburger Straße wartet bald auch wieder der SuppenKult (Prenzlauer Allee 42) mit flüssigen Köstlichkeiten aus dem großen Topf auf – bis zum 4. August sind allerdings noch Suppenferien.

Dann eben so lange Gelati gefällig? Bei Cuffaro (Kollwitzstr. 66) gibt es auch so herrlich pafürmierte Sorten wie Zuppa Inglese. Oder man macht den kurzen Abstecher in die Husemannstraße, vorbei am legendären, aber in die Jahre gekommenen Ostwind (13) zu Annamaria (14) der eiskulinarischen Bereicherung im Kiez schlechthin.

Der Lust auf Herzhafteres lässt sich im Kiez sowieso an beinahe jeder Ecke fröhnen. In der Kollwitzstraße selbst wartet das Belluno (66) bodenständig-italienisch auf, weit über die andernorts übliche Einheitspizzapasta hinaus. Nicht, weil man’s mit dem Kanzler hält, sondern weil es einfach mal fein und deutsch sein soll, sollte man sich auch mal ein paar Hausnummern weiterbewegen: Beim Zander (50) ist der Name Programm. Küchenchef Roland Albrecht bereitet am offenen Herd ohne Netz und doppelten Boden regionale Köstlichkeiten zu sehr vertretbaren Preisen. Und mittags lockt das Kiezmenü.

Auf dem Weg lauert dem Hungrigen zumindest samstags vor Wegehaupt’s Weinhandlung (52) der Senfsalon auf: Von „Colonial-Senf“ bis zu Ingwer, Himbeer oder Milder Mohn ist alles da, was Mostrich mit sich anstellen lässt. Und schmeckt. Wer anstelle vom „Sanften Sesam“ zur „Pfeffrigen Orange“ gegriffen hat: Ab in den Weinladen. Spätestens nach ein bisschen Brot kann man sich dann der umfänglichen Auswahl an beseeltem Getränk widmen.

Oder doch lieber dem Osten im weitesten Sinne den Vorzug geben? Im Mao Thai (Wörther Str. 30) isst es sich weiterhin so gut, wie der Laden voll ist – leider haben auch die Preise jeden Aufwärtstrend mitgemacht. Fürs kleine Portmonee und zum Snack nach dem Marktbesuch daher empfohlen: Das Duy Thai in der Kollwitzstr. 89, das innen dann auch mehr Imbiss denn Restaurant ist. Kulinarisch ganz anders orientalisch, aber nicht minder empfehlenswert ist das etwas weiter entfernt liegende Suriya Kanthi (Knaackstr. 4). Der Tip listet das sri-lankanische Küchenwunder auch unter den 10 besten Frühstücklokalen der Hauptstadt.

Alles gut und lecker – der Höhepunkt im Kiez aber will gesucht sein: Es geht weit hinunter in die Metzer Str. 20. So unscheinbar das „.Y. – sushi & more“ auch aussieht: Youngi Jaster und Crew bieten ein japanisches Erlebnis mit ganz persönlichem Flair. Über das Menü sei hier respektvolles Schweigen gebreitet. Nur so viel: Unbedingt reservieren! (www.y-sushi-more.de)