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Archiv-Artikel

Galeerenarbeit im Allgäu

In Illerbeuren bringt der „Fischer-Sepp“ Besucher mit einer Fähre über die Iller

„Fährmann, setz über!“, tönt immer wieder der Ruf über den meist ruhigen Grenzfluss

Schon seit Napoleons Zeiten ist die Iller Grenzfluss zwischen Württemberg und Bayern. Der heute recht zahme Wasserlauf war einst ein reißender Gebirgsfluss. Wilde Geschichten von kräftigen Fährleuten und Flößern, von Überfällen und gefährlichen Fahrten geistern heute noch durch die Dörfer und werden gerne am Biertisch erzählt.

Tatsächlich wurde früher die Iller als Wasserstraße genutzt. Und es gab an vielen Stellen Fähren, die Mensch und Tier ans andere Ufer brachten. Doch die Illerflößer gehören ebenso der Vergangenheit an wie die Fährleute. Bis auf einen einzigen! In der kleinen Gemeinde Wagsberg bei Kronburg im so genannten Illerwinkel gibt es noch einen richtigen Fährmann und die wohl letzte Illerfähre.

„Fährmann, setz über!“, tönt seit Ostern immer wieder mal der Ruf über den meist ruhigen Grenzfluss. Dann steigt der Fischer-Sepp mit seinem blauen Overall und seinem Strohhut in seine „Forelle“ und rudert los. Bei der Überfahrt ans knapp hundert Meter entfernte Ufer erzählt er von seiner Arbeit, die mehr Freizeitbeschäftigung ist. Sein Vater sei bis ins hohe Alter gefahren, von ihm habe er den Fährbetrieb übernommen. Seit dem achten Lebensjahr ist der Fischer-Sepp, wie ihn jeder hier an der Iller nennt, mit der Fähre unterwegs, fünfzig Jahre schon.

Feriengäste, Pilger, Besucher des nahen Bauernhofmuseums Illerbeuren oder des Schlosses Kronburg sind seine Passagiere. Hin und wieder verschlägt es eine Gruppe von Touristen auf die acht Meter lange Aluminium-„Forelle“. „Einmal hatte ich bei einer Fahrt neun verschiedene Nationen an Bord“, erzählt der Fischer-Sepp. Die Iller sei eben ein internationaler Fluss. Der Fährmann hat sich kräftig ins Zeug gelegt und legt auf der anderen Illerseite an. Gekonnt schlingt er die Seile um die Eisenpfosten. Dann steigt er aus, zeigt hoch zum Waldrand und berichtet davon, dass die meisten Besucher im Illerwinkel einen knappen Fußmarsch zur nahen Wallfahrtskapelle Maria Steinbach unternehmen. Früher hätten sich auch viele Wallfahrer zum Beichten übersetzen lassen; das kommt heute nur noch selten vor.

„An einen Pater vom Kloster Ottobeuren erinnere ich mich noch“, berichtet der bärtige Fährmann. „Der war nach dem Beichten nicht leichter, wie man glauben möchte, sondern erkennbar schwerer. Das lag wohl daran, dass der danach immer noch kräftig eingekehrt ist in der Wirtschaft drüben.“

Eine andere Geschichte, die der Fischer-Sepp gerne erzählt, ist die von den Donauschwimmerinnen aus der Nähe von Neuburg. Die Damen – die älteste war schon 70 – müssen bei ihm einen gehörigen Eindruck hinterlassen haben. „Die sind in die zehn Grad kalte Iller gesprungen und einfach hinübergeschwommen.“ Er brachte, als wahrer Gentleman des Illertals, den eisernen Ladys mit seiner Fähre trockene Klamotten ans andere Ufer. Er sei dabei freilich nicht so schnell gerudert wie als junger Bursche. „Damals haben wir immer wieder mal mit mehreren Booten wilde Wettfahrten auf der Iller veranstaltet.“

Wenn gelegentlich an einem schönen Frühlings- oder Sommertag unter der Woche unerwartet Fahrgäste kommen, muss seine Frau Gisela ran. „Dann bin ich die Fährfrau“, sagt sie, zeigt lächelnd ihre Muskeln. Nicht selten werden jedoch auch kurzerhand die Fahrgäste eingespannt – Galeerenarbeit auf der Iller!

Rudern und Wandern macht durstig und es gibt eine eiserne Pflicht bei den fast ausgestorbenen Fährleuten an der Iller: Entweder man bringt den durstigen Gästen was zu trinken oder man schmeißt sie ins Wasser! Vorsicht ist also geboten, denn für welche Variante sich der Fischer-Sepp jeweils entscheidet, lässt sich vor dem Übersetzen nur schwer einschätzen.

Die Wagsberger Illerfähre kann auf eine lange Geschichte zurück blicken. Bereits 1795 wurde sie im Auftrag des Barons von Kronburg gebaut. Damals war es eine Seilfähre, das Halteseil eine wichtige Sicherung. Heute ist das nicht mehr nötig, nur bei Hochwasser, etwa in der Zeit der Schneeschmelze, ist höchste Vorsicht angesagt. Für einige Jahre war ab Ende der 60er-Jahre der Fährbetrieb unterbrochen. „1968 hat ein Bergrutsch unsere Bootshütte, den Anlegeplatz und die Fähre mitgerissen.“ In mühevoller Kleinarbeit musste alles wieder aufgebaut werden. 1993 dann wurde eine neue, moderne Fähre, die „Forelle“, in Betrieb genommen.

Acht Fahrräder und acht Fahrgäste oder eben Gruppen bis zu fünfzehn Fahrgästen können auf einmal übergesetzt werden und das zu Fahrpreisen von fünfzig Cent in der größeren Gruppe und zwei Euro bei Einzelpersonen. KLAUS WITTMANN