EICHELS NEUVERSCHULDUNG IST UNREALISTISCH – UND UNGERECHT : Zinsen statt Steuern
Sogar das Kartenspiel „Schummeln“ ist anspruchsvoller, wenn es um Täuschung geht: Finanzminister Hans Eichel stellt den Haushalt für das Jahr 2005 auf – und jeder weiß schon jetzt, dass das Zahlenwerk Makulatur bleiben wird. So will Eichel die Neuverschuldung fast halbieren; von etwa 40 Milliarden Euro in diesem Jahr soll sie auf rund 22 Milliarden Euro sinken. Doch offensichtlich kann dieses Rechenkunststück nur gelingen, weil alle Risiken simpel ignoriert werden.
Beispiel Arbeitsmarkt: Wirtschaftsminister Clement hat den Kommunen zugesagt, dass er die Unterkunftskosten für die Langzeitarbeitslosen übernimmt – sobald diese Kosten berechnet sind. Alle Experten sind sich einig, dass zusätzlich etwa drei Milliarden Euro vom Bund zu tragen sind. Beispiel Privatisierung: Über 15 Milliarden Euro will Eichel erlösen, indem er Bundesvermögen verkauft. Dazu müsste er die Beteiligungen an Telekom und Deutscher Post abstoßen. Die Postbank führt jedoch vor, wie schwer es ist, größere Aktienmengen zu veräußern – obwohl es sich dort nur um ein Volumen von 2,6 Milliarden Euro handelt.
Aber es ist ein bisschen billig, sich über den Finanzminister zu erregen. Er kann ja schließlich auch nichts dafür, dass sich die Union im Bundesrat so hartnäckig weigert, weitere Subventionen zu streichen. Und die lahmende Konjunktur, die die Steuereinnahmen reduziert, ist auch nicht allein seine Schuld.
Skandalös sind nicht die niedlichen Täuschungsversuche des Finanzministers – sondern die schleichenden Verteilungswirkungen der Neuverschuldung. Sie werden jedoch fast nie thematisiert. Von der Kreditaufnahme des Staates profitiert, wer sichere Anlageformen für sein Vermögen sucht. Alle Steuerzahler, inklusive die Ärmeren, kommen für die Zinsen der Kapitalbesitzer auf. Auch diese Besserverdienenden wurden übrigens, fast schon vergessen, durch eine sehr teure Steuerreform entlastet, deren letzte Stufe ab 2005 greift. Der Staat hat also Milliarden Euro an Steuergeschenken verteilt, um dieses Defizit jetzt via Kreditaufnahme wieder hereinzuholen. Für Besserverdienende bedeutet dies: Zinsen erhalten statt Steuern zahlen. Ist doch toll. ULRIKE HERRMANN