Keynes formulierte genau

betr.: „Tschüss, Neoliberalismus“, „Homo oeconomicus bekommt Galgenfrist“, taz vom 18. 6. 04

Die beiden Artikel erwecken den Eindruck, Keynes sei nicht von rational planenden, nutzenmaximierenden Wirtschaftssubjekten ausgegangen. Vielmehr hat er die Bedingungen, unter denen Entscheidungen getroffen werden, genauer formuliert. (Für den Finanzmarkt in diesem Zusammenhang sein Beispiel eines Schönheitswettbewerbs, bei dem die Akteure nicht für diejenige Kandidatin stimmen, die sie für die Schönste halten, sondern für die, von der sie glauben, dass die meisten anderen sie für die Schönste halten). Das Problem daran, nicht-rationale Erwartungen in makroökonomische Modelle einzubauen, ist doch nicht, dass diese dann zu kompliziert würden, sondern dass man letztlich ein Volk von „Dummköpfen“ modellieren müsste. Mit welchem Erkenntnisgewinn?

Übrigens klingen solche Töne (gerade von neoklassischer Seite) in der politischen Ökonomie häufig dann an, wenn es um krisengeschüttelte Volkswirtschaften geht. Wenn ausschließlich korrupte und unglaubwürdige Wirtschafts- und Währungspolitiker das Problem sind, fragt man sich, warum die entsprechenden Völker nicht in der Lage sind, sich fähigere Vertreter zu wählen. Der gesamtwirtschaftliche Rahmen, in dem Entscheidungen zustande kommen, wird so eher verdunkelt. ANNA TRAUB, Berlin

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