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Archiv-Artikel

Michael Batz‘ Oratorium „Null Neunzehn“ gedenkt donnerstag nacht des Feuersturms Vision gegen Apokalypse gesetzt

Den anstrengendsten Part werden die Senioren haben: jene, die, unterfüttert von eigenem Erleben, die Zeitzeugen-Passagen sprechen sollen, die zentraler Teil des Oratoriums Null Neunzehn sind, das Theatermacher Michael Batz zum Gedenken an den Feuersturm verfasst hat. Genau 49 Minuten – so lange wie der Angriff im Juli 1943 – soll das Stück dauern, das im Rahmen des Gedenktages am Donnerstag in der Ruine von St. Nikolai aufgeführt wird und mit dem Schlag der Glocken des einzig erhaltenen Turms beginnen und enden soll.

Aus Beschreibungen eines englischen Historikers hat Batz die Texte zusammengestellt, „wobei es mein Ziel war, Täter- und Opfersicht ineinander zu weben und letztlich verschwimmen zu lassen. Denn angesichts solch apokalyptischer Ereignisse verschwinden diese Unterschiede.“

Menschenvernichtung durch Menschen bezeichnet er als Thema des Stücks, das subtil „selbstverständlich die Frage nach der Dialektik der Befreigung stellen soll, wenn ich auch nicht explizit auf aktuelle politische Ereignisse eingehe“. Und trotz der a cappella gesungenen Erinnerungen an die Nacht des Feuersturms will Batz nicht bei der Betrachtung der Vergangenheit stehen bleiben. „Letztlich wird das Stück auch in die Zukunft blicken, wozu die zwischengeschobenen gesprochenen Passagen dienen sollen: Welche Stadt kann man an einem Ort, dessen völlige Zerstörung geplant war, aufbauen? Wie kann eine Stadt, die lebens- und liebenswert ist und nicht ausschließlich Nutzflächen hat, aussehen?“

All dies sei weder als architektonischer noch als soziologischer Entwurf gemeint, vielmehr wolle er eine Art „innere Stadt“, eine Vision einer Stadt erstehen lassen. „Ich möchte das Bild einer Gesellschaft zeichnen, die sich nicht nur über Krieg und Vergangenheit begründet“, sagt Batz. Vision will er mit Apokalypse kontrastieren und zwar kein transzendentes „himmlisches Jerusalem“, wohl aber eine Bloch‘sche Vorstellung einer kommenden Stadt erstehen lassen. „Das, was ich meine, kann man nicht in Worten beschreiben. Dazu eignen sich am bessten Musik und Bilder.“

PETRA SCHELLEN

Do, 24.7., 23.30 – 0.19 Uhr, Ruine der Nikolaikirche, Ost-West-Straße