: Energiepolitik unter Spannung
Die Windenergiebranche klagt über die mangelnde Unterstützung der Landesregierung im Berliner Vermittlungsausschuss. Ökostrom- und Umweltverbände in Nordrhein-Westfalen fordern mehr Einsatz für die umweltverträgliche Energienutzung
VON SALVIO INCORVAIA
Die Ökoverbände in NRW kritisieren die Ökostrompolitik der rot-grünen Landesregierung. Regenerative Energien, effizientere Energiegewinnung und der Ausbau von Einsparpotenzialen sollten nach Ansicht der Verbände vom Land zusätzlich gefördert werden.
„Teile der Landesregierung präferieren noch immer die Kohle als Hauptenergieträger“, sagt Dirk Jansen, Landesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Das haben die Verhandlungen zum Bereich Windenergie im Berliner Vermittlungsausschuss zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gezeigt. Nach BUND-Ansicht hat NRW durch seine bundesweit höchsten Kraftwerksemissionen eine besondere Verantwortung beim Ausbau der regenerativen Energien.
Anlass der Kritik ist der Berliner Kompromiss zur Förderung erneuerbarer Energien. Der Landesregierung wird vorgeworfen, in den Verhandlungen die engere Förderungsbegrenzung für den Bau von Windenergieanlagen nicht verhindert zu haben. Bund und Länder hatten sich in der vergangenen Woche im Vermittlungsausschuss auf neue Richtlinien geeinigt. Der Bundestag bestätigte am Freitag das Vermittlungsergebnis. Mit der Zustimmung des Bundesrates wird am 9. Juli gerechnet. Das Gesetz soll die Förderung von Stromgewinnung aus Wind, Wasser, Sonne, Erdwärme und Biomasse neu regeln und zum 1. August in Kraft treten.
Zufrieden mit der Lösung sind dagegen die großen Energieproduzenten in NRW: „Obwohl wir uns noch einige Änderungen gewünscht hätten, begrüßen wir die neue Regelung. Im Vermittlungsausschuss sind die Spielräume aller Parteien immer sehr eng“, sagt Gerd Lochner, Sprecher des Verbandes der Elekrizitätswirtschaft (VDEW) in NRW. Die strengeren Begrenzungen bei der Förderung der Windenergie seien jedoch ein Fortschritt.
Das neue Bundesgesetz sieht zwar neben einer Ausweitung der Förderung von Kraftwärmekopplung, Biomassenenergie und Erdwärme, jedoch Einschnitte bei kleineren Wasserkraftwerken und dem Neubau von Windenergieanlagen vor. Demnach können Windkraftanlagen in so genannten Niedrigwindregionen nicht mehr gebaut werden. Ebenso müssen solche Anlagen in ihrer Energieproduktion nun einen Referenzbetrag von 60 Prozent gegenüber dem Durchschnitt aller Stromerzeuger erreichen.
Enttäuschung gibt es vor allem bei den Windenergieverbänden: „Als Binnenwind-Energieland Nummer Eins in Deutschland hätten wir uns bei den Verhandlungen im Vermittlungsausschuss mehr Rückendeckung von der Landesregierung erwünscht“, sagt Friedbert Agethen, NRW-Landesvorsitzender des Bundesverbandes Windenergie (BWE). Das alte Gesetz hätte für den Bereich Windenergie nicht geändert werden sollen. Viele Windkraftbetreiber arbeiteten nun am Rande der wirtschaftlichen Existenz. Der Verband ist deshalb enttäuscht von der rot-grünen Regierung in Düsseldorf.
Dagegen spricht der „Bundesverband für Erneuerbare Energien“ (BEE) zwar von einem annehmbaren Kompromiss, weist jedoch darauf hin, dass nun die Bundesländer mit zusätzlichen Programmen zur weiteren Förderung des Ökostroms am Zug seien: „Mit der Bundesgesetzgebung als neue Handlungsbasis sind wir zufrieden, doch sollte die rot-grüne Landesregierung in NRW nun Initiative zeigen und ihr landeseigenes Programm für ‚Rationelle Energieverwendung und Nutzung unerschöpflicher Energiequellen‘ (REN) wieder aufstocken“, sagt Milan Nitzschke, NRW-Experte vom BEE. Das REN-Programm werde jedes Jahr weiter gekürzt.
Auch der Naturschutzbund (NABU) in NRW klagt über die Energiepolitik der Landesregierung: „Zwar gibt es durch die Haushaltslage keine weiteren Spielräume für eine zusätzliche Landesförderung regenerativer Energien, doch warum werden immer noch soviel Gelder in die niedergehende Steinkohlewirtschaft gesteckt“, sagt der Landesvorsitzende Josef Tumbrinck. Es sei viel innovativer und zukunftsgerichteter, die Subventionen schneller zu senken und das gesparte Geld in den Ausbau erneuerbarer Energien und deren Technologien zu stecken.