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Archiv-Artikel

Verbrechen lohnt sich

Mit freundlicher Unterstützung von Grieneisen: Die Krimis des berlin.krimi.verlags zeichnen ein facettenreiches Bild der Abgründe Berlins – von den Zeiten des Alten Fritz bis in die Gegenwart

von CARSTEN WÜRMANN

Verbrechen lohnt sich nicht! Aller Anstand hofft dies zumindest, und die Zweifler greifen zum Kriminalroman, um sich ein ums andere Mal beweisen zu lassen, dass am Ende das Böse besiegt und die Schuldigen überführt werden. Damit wir uns aber beruhigt am Strand oder im Sessel nach spannender Lektüre zurücklehnen können, muss sich die literarisierte Straftat wenigstens für den Verleger rechnen. Kein leichtes Unterfangen in diesem hart umkämpften Markt, zumal dann, wenn man nicht über einschlägige Autoren verfügt und kein mächtiger Verlagskonzern das Kapital für Lizenzen internationaler Bestseller und nachdrückliche Werbekampagnen bereitstellt. All zu schnell landen ambitionierte Newcomer vorzeitig im Ramsch.

Doch wer Krimis liebt, glaubt auch an die Chancen des Guten. 1994 gründete Ulrich Hopp den Bebra-Verlag: Sachbücher zur Kultur, Architektur, Politik und Zeitgeschichte, seit neuestem auch Wissenschaft, der inhaltliche Schwerpunkt liegt auf Berlin und Brandenburg. „Wir haben den Anspruch, Berlin und das Umland möglichst ganzheitlich widerzuspiegeln.“ Da durften Kriminalromane natürlich nicht fehlen. Im Frühjahr 2001 beschloss Hopp, das Risiko einzugehen und richtete eine eigene Krimi-Sparte ein: „berlin.krimi.verlag“.

Kaum zwei Jahre später jagt eine illustre Schar von Berufs- und Amateurermittlern in 16 Romanen die Täter und ein gutes Dutzend Autoren zeichnen ein facettenreiches Bild der kriminellen Abgründe hierzulande, von den Zeiten des Alten Fritz bis in die Gegenwart der wiedervereinigten Hauptstadt. „Wir sind sehr zufrieden mit der bisherigen Entwicklung“, so Regine Buczek, in dem fünfköpfigen Verlagsteam für die Pressearbeit verantwortlich. Es bleibe allerdings harte Arbeit; gerade auch um neue Autoren aufzubauen, brauche es einen längeren Atem. Der Bebra-Verlag geht hier ungewöhnliche Wege. Am Ende jedes Romans steht nach der Auflösung die Erinnerung an den eigenen Tod: Das Berliner Bestattungsunternehmen Ahorn-Grieneisen bewirbt die Reihe. Eine Kooperation, die nicht nur für eine gewisse Risikoabfederung bei der Kalkulation sorgt, sondern auch für originelle Schaustücke: Kandelaber, Urnen und Friedhofszäune schmücken die Buchpräsentationen an so einschlägigen Orten wie dem alten Hörsaal des pathologischen Instituts der Charité oder das Sarglager von Ahorn-Grieneisen. Originelles Marketing ersetzt die fehlenden finanziellen Mittel. So initiierte Hopp die Berliner Krimi-Nacht mit Lesungen und Gesprächen, in der eigene Autoren neben nationalen wie internationalen Krimi-Größen auf der Bühne stehen. Aktionen, die nicht nur beim Publikum gut ankommen, auch Schriftsteller schätzen es, wenn ein Verlag sich bei der Betreuung und Präsentation Gedanken macht. Jan Eik, einer der bekanntesten Krimiautoren der DDR findet sich genauso im Programm wie Felix Huby, Schöpfer des Tatort-Kommissars Bienzle.

Neben ausgewiesenen Profis setzt der Verlag aber auch auf viel versprechende Debütanten. Gabriele Stave, langjährige Journalistin und Autorin, veröffentlichte mit „Arme Nina – böses Kind“ im März ihren ersten Kriminalroman. Eine weit zurückliegende Affäre zwischen einer Schuldirektorin und einem jüngeren Liebhaber, irgendwo in der DDR-Provinz, hat im heutigen Berlin tödliche Konsequenzen: ein TV-Autor wird erschossen aus dem Müggelsee gezogen. Welche Verbindungen bestehen zwischen einem Lolitapuff in Friedrichshain, einem Schrebergarten in Malchow und einer Zehlendorfer Juweliersfamilie? Das Ost-West-Gespann Hauptkommissar Kreutzer und Kommissar Weniger ermittelt, Detail um Detail fügt sich zum tragischen Showdown. Das Verlagsprogramm bietet mörderische Sittenbilder aus dem gegenwärtigen, aber auch aus dem Berlin vergangener Zeiten: Pünktlich zum preußischen Jubiläumsjahr legte Tom Wolf seinen ersten „Preußen-Krimi“ vor: „Königsblau“.

Mittlerweile ist der vierte Roman um den französischen Koch und Amateurdetektiv Honoré Langustier, Zweiter Hofküchenmeister Friedrichs II., erschienen. Der promovierte Philologe Wolf spielt gekonnt mit Stil und Tradition historischer Romane und fügt Krimi-Plot und Detektiv elegant und bruchlos in den geschichtlichen Kontext. Ein echter Glücksfall! Fiktion, die auf harten historischen Fakten ruht. „Wegen der Kaffeevorlieben von Friedrich dem Großen kam es bei uns im Haus sogar zum Expertenstreit. In unserem ‚Kaffee‘-Buch würzt er seinen Kaffee mit Senfkörnern, bei Tom Wolf mit grünem Pfeffer.“ Auch wenn Buczek nicht über Auflagenhöhen sprechen will: Wolf hat sich in kürzester Zeit zum Dauerbrenner entwickelt. „Und das landesweit, wir haben sogar schon begeisterte Zuschriften aus Bayern erhalten. Da hat sich eine richtige Fangemeinde gebildet.“

„Königsblau“ erscheint bereits in der Nachauflage, bei der Vorstellung von „Schwefelgelb“ im Orangeriekabinett des Charlottenburger Schlosses kamen über 100 Leute. Ein neuer Roman ist in Vorbereitung, Arbeitstitel „Giftgrün“. Der Herbst bietet neben dem Debüt von Tatortschauspieler Jochen Senf (Max Palü) weitere Epochen deutscher Geschichte: Gabriele Stave klärt in ihrem Roman „Schützenfest“ einen authentischen Kriminalfall aus der Weimarer Republik, und Regina Stürickow lässt in „Habgier“ einen Reporter im Berlin des Ersten Weltkriegs ermitteln. Der Vergangenheit gehört die Zukunft, zumindest solange sie kriminell ist.

Weitere Informationen zum Programm unter www.bebraverlag.de