Christliche Vorherrschaft

betr.: „Gericht will Ludin oben ohne“, „Kopfzerbrechen über Kopftuch-Urteil“, taz vom 26. 6. 04

Frau Schavan und Herr Busemann sollten sich in ihrem dubiosen Sieg nicht zu sehr aalen. Es ist kein ehrenhaftes Verdienst, in einem von vornherein asymmetrischen Kräfteverhältnis und in erpresserischer Art und Weise, unschuldige, junge Frauen in die Knie zu zwingen. Hier ging es weniger um einen sachlichen, fairen Prozess, als vielmehr um die Schaffung einer öffentlichen Bühne, auf der man seine Macht den muslimischen Frauen gegenüber demonstrieren wollte. Ihnen unmissverständlich und als Abschreckung für alle jungen muslimischen Frauen mit beruflichen Ambitionen, klar zu machen, was ihnen blüht, wenn sie sich nicht beugen vor der christlich-abendländischen Herrschaft.

Anders ausgedrückt, dies stellt einen öffentlichen Akt der Demütigung der islamischen Welt da und läutet offiziell den postmodernen Kreuzzug gegen die Muslime ein. Denn jeder Vollidiot hat mittlerweile begriffen, dass es hier längst nicht mehr um die Lehrerinnen geht, sondern in Wahrheit um die Vormachtstellung der Kirchen in Deutschland. Sie fühlen sich scheinbar durch einen weiblichen, emanzipierten Islam dermaßen bedroht, so dass sie direkt oder indirekt, hier über das neue Landesschulgesetz, alles dransetzen, um diesen in jeder Form zu verbieten. […]

HADICE SHARIF, Syke

Das Kopftuch im Klassenzimmer stört per deutscher Definition den Frieden, das Kreuz nicht. (Oder war da mal was? Egal, für die Koalition der wollenden Menschen zählt nur die der Sache dienende Wahrnehmung, nicht die Wirklichkeit in der Provinz.) Der Frieden ist also nun durch Beschluss gesichert. Endlich dürfen sich deutsche Schüler auch an den entblößten Köpfen islamischer Lehrerinnen erfreuen. Vielleicht lenkt das ja die durch schon so viele andere Sinneseindrücke verwirrten Schüler von der Nabelschau bei ihren Mitschülerinnen ab und bringt sie so irgendwelchen Lernzielen näher. Die deutsche (also europäische) Kultur ist gerettet, und sonst haben wir ja kaum andere Probleme. GÖTZ KLUGE, Eching

Nun hat sich ungefragt die EU-Kommission eingeschaltet. Die Generaldirektion Beschäftigung und Soziales hat die mehr als nur berechtigte Sorge, dass die Anti-Kopftuch-Gesetze verschiedener Bundesländer mit dem Diskriminierungsverbot des europäischen Rechts unvereinbar sein könnten. Das ist noch sehr zurückhaltend ausgedrückt, denn diese Gesetze sind schlicht unvereinbar mit den Gleichbehandlungsrichtlinien der EU und mit der Europäischen Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten.Warum also wird dennoch immer wieder von „interessierter“ politischer und auch juristischer Seite dieses Thema bewusst bösartig nach „vorne gepeitscht“? […] KLAUS ZINNER, Bochum