: Meschuggene unters Kopftuch
DAS SCHLAGLOCH von VIOLA ROGGENKAMP
Aber wem man solches Unrecht getan hat, versteht sich, dass man weiter gegen den gereizt ist. „Jud Süß“, Lion Feuchtwanger
Israel sei zurzeit die größte Bedrohung für den Weltfrieden. So wird behauptet, so ist zu hören und zu lesen, davon ist man allgemein überzeugt. In West- und Osteuropa, in Russland, in Afrika und Asien, in den arabischen Ländern sowieso und allmählich auch in Amerika. Die Welt sitzt zerstritten am Tisch und nimmt Israel übel. Nur darin ist man sich einig. Weshalb? Hat Israel der Welt den Krieg erklärt? Nein. Also warum ist Israel die größte Bedrohung für den Weltfrieden?
Weil Israel das Hassobjekt derjenigen ist, die tatsächlich zurzeit die größte Bedrohung für den Weltfrieden sind. Und wer sind die? Wie soll man sie nennen, ohne diese Leute zu kränken? Terroristische Islamisten? Islamische Terroristen? Islamische Islamisten? Islamistische Islamisten? Schwierig, sehr schwierig. Man darf diese Leute nicht reizen, sie sind überaus empfindlich. Vor ihrer Empfindlichkeit fürchtet sich die Welt. Fühlen diese Leute sich gekränkt, gleich gehen sie hoch, gleich fliegt irgendwo in der Welt etwas mit ihnen in die Luft, möglichst an mehreren Orten gleichzeitig und möglichst dort, wo viele Menschen versammelt sind, die dem Islam nicht angehören.
Völlig gefahrlos dagegen ist es für jedermann zu behaupten, Israel sei die größte Bedrohung für den Weltfrieden. Da passiert einem absolut gar nichts. Es kommen keine israelischen Attentäter und werfen den Deutschen ihre schöne, gläserne Reichstagskuppel ein.
Wer Israel sagt, meint die Juden. Bitte, hier müssen sich nicht reflexhaft nur die Deutschen und Österreicher angesprochen fühlen, wobei die Österreicher sich dabei nie angesprochen fühlen. Die berüchtigsten antisemitischen Schriften Europas stehen seit Jahren auf arabischen Bestsellerlisten, und wenn die arabische Welt von Zionisten spricht, meint sie immer alle Juden. Für die arabische Welt existiert der Staat Israel nicht, obwohl es Israel seit 56 Jahren gibt.
Ich war unlängst bei einer Veranstaltung. Wo das war, will ich nicht sagen, und ich will auch keine Namen nennen, es ist schwierig heutzutage mit den Namen, und ich staune, wie geläufig deutsche Journalisten im Radio inzwischen arabische Namen aussprechen, viel besser als manche hebräische Namen. Jedenfalls hielt ein Jude einen Vortrag über Antijudaismus im Koran und über islamistischen Judenhass. Deutliche, starke Worte. Man muss sich wundern über den Mut. Und das in einer katholischen Akademie unter der Leitung einer evangelischen Veranstalterin.
Die seit vielen hundert Jahren bestens verkrachten Christen müssen zusammenrücken, weil ihnen das Geld ausgeht. Ihre Steuerzahler laufen ihnen davon, einige laufen zum Islam über, besonders in Deutschland, wo es 3,5 Millionen Muslime gibt und nur rund 100.000 Juden.
Ausdrücklich wurden von der christlichen Veranstalterin die Muslime im Publikum begrüßt, überwiegend Frauen, die anwesenden Juden wurden nicht begrüßt. Der Referent, ein kluger, belesener Mann, belegte sorgsam seine Thesen, und kaum war er damit fertig, schon sprangen ihn deutsche, christliche Damen und Herren aus dem Publikum an, um ihrerseits ihre Fachkenntnisse über den Islam im Allgemeinen und den Koran im Besonderen unter Beweis zu stellen, und selbstverständlich gibt es überhaupt keinen Judenhass im Koran. Die Juden haben einen Verfolgungswahn, besonders seit der Nazizeit, und bedrohen damit den Weltfrieden.
Es ist bemerkenswert, wie schnell sich unter Deutschen ein Wissen über Islam und Koran verbreitet hat, und lauscht man deutschen Islamisten, so gibt es keinen Grund, sich vor der islamischen Bewegung zu fürchten, denn Israel bedrohe den Weltfrieden und nicht etwa der Islam, dem wir obendrein zu verdanken haben, dass sich die westliche Welt in letzter Zeit auffallend hastig um alternative Energien gemüht. Windkraft statt Öl, dank Ussama Bin Laden.
Nach der Nazizeit traten deutsche Christen zum Judentum über, sie waren Kinder und Enkel der Täter. Nach dem Golfkrieg und dem Irakkrieg treten deutsche Christen jetzt zum Islam über. Nun gut, es gab und gibt immer Meschuggene. Die Geschichte hat uns gelehrt, man muss sie leider ernst nehmen. Was haben sie vor? Wollen sie alle Religionen dieser Welt von innen kennen lernen? Möchten sie mit ihren muslimischen Bruderschaften bloß gemeinnützig anerkannt sein oder wollen sie mittelfristig das europäische Rechtssystem abschaffen und langfristig alle Kontinente mit der Islamischen Befreiungsbewegung überziehen, damit der Weltfrieden ausbricht? Wenn erst alle Frauen das Kopftuch tragen, gibt es auch wieder mehr Kinder und weniger Arbeitslose, darin werden ihnen die beiden großen christlichen Parteien Deutschlands sogar zustimmen.
Doch warum trägt die Mehrheit der muslimischen Frauen in Deutschland noch immer kein Kopftuch? Lassen wir uns von den Kopftuchträgerinnen darüber nicht hinwegtäuschen, die große Mehrheit ihrer Glaubensschwestern in der westlichen Welt will absolut kein Kopftuch tragen. Muslimische Frauen in Deutschland lassen ihr Haar im Wind wehen und schweigen. Und die Väter, Brüder und Ehemänner schweigen auch. Sie schweigen gegenüber dem Terror, der ihnen aus den islamischen Ländern in die westliche Welt nachgekrochen kommt.
Vor diesem Terror sind sie geflohen ins westliche Exil, sie leben lieber in Deutschland als in Frankreich, in Frankreich sind ihnen zu viele Muslime, vor allem zu viele radikale, aber in die Moscheen in Berlin oder München gehen sie nicht mehr. Dort werden die Männer unter Druck gesetzt, ihren Töchtern, Schwestern, Müttern und Ehefrauen das Kopftuch aufzuzwingen. Aber gemeinsam schimpfen sie auf den Westen, der Westen gebe für alles dem Islam die Schuld, wo doch Israel den Weltfrieden bedrohe. Israel, die einzige Demokratie inmitten islamischer Diktaturen, sei die größte Bedrohung für den Weltfrieden.
Dieser Behauptung wohnt echohaft ein anderer Satz inne: „Die Juden sind unser Unglück.“ Im Gegenteil. Die Juden sind euer Glück. Nur mit den Juden kann man das gefahrlos machen. Seit Generationen. Fantasiert, beschuldigt, verfolgt und getötet als die Verschwörer, die Brunnenvergifter der Welt, passiert einem doch nichts vonseiten der Juden. „Aber wem man solches Unrecht getan hat, versteht sich, dass man weiter gegen den gereizt ist“, heißt es in Lion Feuchtwangers großem Roman „Jud Süß“. Ein wichtiges Buch.
Meschuggene aller Länder, vereinigt euch unterm Kopftuch. Aber lasst mir den Weltfrieden in Ruhe. Ich ziehe mich zurück aus dem Schlagloch, hinter die Bücher. In Büchern ist Wissen. Dort ist Erinnerung. Literatur ist Erinnerung. Sogar diese tageszeitung ist Erinnerung des gestrigen Tages. Nur wer erinnert, kann erzählen, und im Erzählen ist stets Vergessenes und sogar Verdrängtes verborgen und auffindbar. Die sich nicht erinnern, die müssen wiederholen und wiederholen. Die ewig Gestrigen sind sie.