: Autos aus Bremen? Nur wenn Belegschaft zahlt
Die Bremer Auto-Bauer arbeiten billiger als die in Sindelfingen. Jetzt will die Konzernleitung sie gegen ihre Kollegen ausspielen. Auch die Hamburger Lenkstangen-Fabrik muss mit Drittanbietern konkurrieren. Die Arbeitnehmer wollen keinen Standortkrieg – und werden wohl alle auf Geld verzichten
aus Bremen Armin Simon
Die Vertrauensmänner hatten die Belegschaft im Bremer Auto-Werk von DaimlerChrysler schon mal vorgewarnt. Knüppeldick werde es kommen, in der Betriebsversammlung, wenn der Betriebsrat die jüngsten Forderungen der Geschäftsführung präsentieren werde. „Es kam knüppeldick“, berichtet ein Lackierer. Fünf Stunden Mehrarbeit pro Woche ohne Lohnausgleich verlangen die Bosse, in Cash ausgedrückt: 500 Millionen Euro pro Jahr. Nicht sofort, aber ab 2007. Aufzubringen von der Belegschaft.
Die Gegenleistung, die die Konzernspitze dafür anbietet: Die neue C-Klasse, deren Produktion 2007 anlaufen soll, wird weiterhin komplett in Bremen und Sindelfingen gefertigt. Bisher laufen hier sechs verschiedene Modelle vom Band, Zusagen, auch die nächste Serie ab 2007 montieren zu dürfen, hat die Geschäftsführung bislang lediglich für zwei Modelle gemacht. Fällt der Rest weg, stehen in Bremen und Sindelfingen zusammen etwa 6.000 von gut 45.000 Arbeitsplätzen auf dem Spiel. Plus eine unbekannte Anzahl von Jobs im Hamburger Werk, das bislang etwa Lenkstangen und Querträger fertigte und sich für den Folgeauftrag gegen externe Zulieferer bewerben müsse, wie Betriebsrat Norbert Dehmel sagt.
Um 500 Euro pro Wagen will der Konzern die Herstellungskosten drücken. Bei der Materialbeschaffung seien die Margen bereits ausgereizt, heißt es. Bleiben die Personalkosten, derzeit rund 2.400 Euro pro Auto.
Weil der Flächentarifvertrag der Metallindustrie in Baden-Württemberg das Unternehmen teurer kommt als der im Tarifbereich „Küste“ – in Bremen gibt es immerhin drei Feiertage weniger als im Süden und die Schichtzuschläge sind auch nicht so hoch –, steht das Bremer Werk im konzerninternen Ranking diesmal eigentlich eher gut da. Einen direkten Vorteil könnten die Bremer daraus indes nur ziehen, wenn sie sich auf einen Standortkampf mit ihren KollegInnen einlassen würden.
Der Konzernspitze könnte das nur Recht sein. Sie verlangt Einsparungen – egal wo. „Da wird unterhalb der Werke eine Konkurrenz aufgemacht“, ärgert sich Dehmel über den Vorstoß der Bosse. Und stellt gleich klar: „Die Belegschaft lässt sich nicht spalten.“
„Es gibt klare Absprachen des Gesamtbetriebsrats, keine Einzelvereinbarungen zu treffen“, sagt der für DaimlerChrysler zuständige Gewerkschafter bei der IG Metall in Bremen, Dieter Reinken. Dehmel versichert: „Es wird keine Entsolidarisierung geben.“
Was im Umkehrschluss bedeutet, dass alle Beschäftigten Abstriche machen werden. Denn eine Totalopposition gegen die Forderungen ihrer Chefs lehnen selbst die Arbeitnehmervertreter ab. „Wir sind gesprächsbereit“, sagt Betriebsrat Dehmel. Kein Wunder: Ein Arbeiter in Polen oder Tschechien etwa kostet den Konzern ganze acht Euro pro Stunde. Und selbst in Deutschland lauert Konkurrenz: „Es gibt andere Anbieter, die sagen, wir können auch Autos für Mercedes bauen“, weiß Reinken. Bei einigen Auto-Modellen ist diese Form von Outsourcing längst Realität. In Osnabrück etwa schraubt ein Fremdanbieter Cabrios zusammen – mit dem Stern auf dem Kühler.
Eine ganz ähnliche „Erpressungs-Situation“ habe es vor einigen Jahren schon einmal gegeben, sagt Reinken. Damit die A-Klasse im Werk Rastatt vom Band laufe, hätten alle Konzernbeschäftigten auf einen Teil ihres Lohns verzichtet. Auch dieses Mal scheinen Einkommenseinbußen vorgezeichnet. Das bisherige Angebot des Gesamtbetriebsrates liegt bei etwa 2,8 Prozent des Lohnvolumens. Nominell soll dabei keiner der Beschäftigten am Monatsende weniger Geld auf dem Konto haben. Vorgesehene Lohnerhöhungen würden aber gestreckt.
Ein Scheitern der Verhandlungen, gibt Reinken zu, ginge „gezielt zu Lasten von Bremen und Sindelfingen“. Die Einsparungen dagegen, die das abwenden sollen, würden von allen Beschäftigten gemeinsam getragen. „Da wird kein Werk ausgeklammert“, sagt Dehmel.
Unter dem Strich bedeutet das bisherige Angebot des Betriebsrats ein Plus für den Konzern von 180 Millionen Euro. Der Konzernspitze, so ist zu hören, reiche das nicht aus. Offiziell wollte sich dazu gestern niemand äußern. Nur so viel ist sicher: Die endgültige Entscheidung, welches C-Klassen-Modell ab 2007 wo gefertigt werde, soll diesen Monats fallen. Vielleicht knüppeldick.