Einbürgerung bald ohne Deutschstunde

In Rodenkirchen hält man gerne salbungsvolle Reden, wenn in einer „Feierstunde“ Einbürgerungsurkunden ausgeteilt werden. Dass damit bald Schluss ist, macht eigentlich nichts: Ohnehin wollen immer weniger Migranten Deutsche werden

Von Susanne Gannott

Eine Mischung aus Anspannung und freudiger Erwartung liegt in der Luft. Knapp 30 Menschen sind an diesem Nachmittag ins Rodenkirchener Bezirksrathaus gekommen, um ihre Einbürgerungsurkunde entgegenzunehmen. Kurze Begrüßung durch den Amtsleiter, dann nutzt Bezirksvorsteherin Gabriele von Dombois die Gelegenheit, den „neuen Deutschen“ ein paar Betrachtungen über das Deutschsein nahe zu legen. Das wird natürlich erschwert durch die Wurzeln, die nicht in Deutschland liegen, und „die Sie immer behalten werden“. Trotzdem könne man sich aber gut verstehen. „Dafür ist es wichtig, dass wir unser Hauptmedium gut gebrauchen können. Und das ist?“, fragt sie. „Die Sprache“, kommt es wie aus der Pistole geschossen aus der hinteren Reihe. „Richtig“, lobt die CDU-Politikerin.

Jetzt kommt sie so richtig in Fahrt und zitiert Artikel 1 des Grundgesetzes. Das mit der Unantastbarkeit der Würde „ist ja auch nicht in allen Ländern so“, klärt sie ihre Zuhörer auf. Artikel 3, Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, ist wichtig, „auch für Menschen aus Ländern, wo Gleichberechtigung noch nicht so funktioniert“.

Nach der Urkundenausgabe kommt Lektion 2: Deutschsein beinhaltet nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Wählen etwa ist eine „vornehme Pflicht“, erinnert Dombois, und Amtsleiter Reiner Lindlahr appelliert an die Neubürger, sich auch im Bezirk zu engagieren: Spielplatzpaten etwa werden noch gesucht.

Zum Schluss werden die Anwesenden aufgefordert, jetzt selbst einmal zu erzählen. Dass eine Frau aus Indien darauf von ihren schlechten Erfahrungen „wegen unserer Hautfarbe“ anfängt, passt der Bezirksvorsteherin allerdings weniger. Aber dann lobt Beyza Büyukcam, eine junge nunmehr Ex-Türkin, die tolle Kölner Eigenart, mit der hier Fremde aufgenommen und akzeptiert werden. Hocherfreut greift Dombois den Faden auf: Die guten Erfahrungen würden doch sicher die schlechten überwiegen und „Sand im Getriebe“ gebe es ja bei jedem einmal. Derart aufgemuntert werden die Anwesenden in ihr „neues Leben als Deutsche“ entlassen.

Amtsleiter Lindlahr findet es mehr als angemessen, dass Einbürgerungen in Rodenkirchen mit einer solchen „Zeremonie“ begangen werden. Mit leisem Bedauern erzählt er, dass sein Bezirk inzwischen der einzige in Köln ist, der so etwas macht. Und auch in Rodenkirchen wird bald Schluss sein mit feierlichen Oberlehrerreden: Im August wird die Meldehalle geschlossen und samt Einbürgerungswesen dem Bezirksamt Innenstadt angegliedert.

Dass das Amt in der Brückenstraße damit überfordert sein wird, ist nicht anzunehmen. Denn wie überall in Deutschland wollen auch in Köln immer weniger Migranten Deutsche werden. Seit im Jahr 2000 das neue Staatsangehörigkeitsrecht in Kraft trat, sind die Zahlen rückläufig. Wurden 2001 bei den Bezirksämtern noch 3.490 Anträge auf einen deutschen Pass eingereicht, sank diese Zahl in 2002 auf 3.172 und 2003 auf 2.711 Anträge. Der zuständige Mitarbeiter beim Standesamt, das die Fälle entscheidet, hält das für normal: „Nach dem Riesenboom am Anfang ist eben eine Sättigung eingetreten.“ Eine andere Erklärung hat Tayfun Keltek, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Migrantenvertretungen (LAGA). Das Problem sei, dass das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht Neubürger dazu zwinge, ihre alte Staatsangehörigkeit aufzugeben. „Aber die ist vielen ein Beleg für ihre Identität und Herkunft. Sie aufzugeben heißt auch, die eigene Vergangenheit aufzugeben.“ Und das sei zu viel verlangt. Zumal der Pass auch die „Rückfahrkarte“ sei für den Fall, dass man sich hier als Neu-Deutscher nicht akzeptiert fühle. „Das ist keine Einladung“, sagt Keltek.

Auch Beyza Büyukcam findet es „schade“, dass sie ihre türkische Staatsangehörigkeit aufgeben musste. Und sie ist überzeugt, dass viele ihrer ehemaligen Landsleute „es“ deshalb eben nicht machen. „Wenn ich mich in Köln nicht so wohl fühlen würde, hätte ich es auch nicht gemacht.“ Denn eigentlich wären zwei Pässe auch gefühlsmäßig durchaus angemessen, findet sie. „Ich bin Deutsche, aber ich fühle mich auch als Türkin.“ Und bei aller Freude, „jetzt Kölnerin zu sein“, hat die 26-Jährige noch eine kritische Anmerkung zur Prozedur der Einbürgerung: „Das hat jetzt zwei Jahre gedauert, was ich schon ziemlich lange finde. Ich dachte, es wäre einfacher, weil ich hier geboren bin.“