intendantenkegeln : Zwei Theater ohne Linie und Vision
Die letzten Jahre war das Sparen die einzige kulturpolitische Anforderung, mit der sich die Berliner Theater auseinander zu setzen hatten. Nach Inhalten fragte längst niemand mehr. Die Theater wurschtelten so vor sich hin, übten sich in Statistik und Auslastungsakrobatik. Plötzlich fragt jetzt ein Kultursenator nach Inhalten, fordert sie ein und es bricht Panik aus.
KOMMENTAR VON ESTHER SLEVOGT
Waren es erst die bösen Westler, die die Ost-Theater besetzten, kommt jetzt der böse Ostler Flierl, der Westler aus ihren Intendantensesseln kippen will. Dass es mit dem Maxim Gorki Theater und dem Deutschen Theater jetzt ausgerechnet zwei Bühnen mit ausgeprägter DDR-Geschichte trifft, hat aber wenig mit der DDR-Biografie des Kultursenators zu tun. Das ist ein unfaires Argument, das von den Problemen abzulenken versucht.
Beiden Theatern fehlt eine Linie, von Visionen ganz zu schweigen. Das Maxim Gorki Theater laviert unentschlossen zwischen verquerer Avantgarde, Stücken mit rein populistischem Kalkül und Mittelmaß. Schlimmer noch der Zustand des Deutschen Theater. Hier hat Intendant Bernd Wilms zwar mit ein paar wenigen herausragenden Inszenierungen für frischen Wind und veränderte Publikumsstrukturen gesorgt. Für ein legendäres Haus wie dieses ist das trotzdem zu wenig. Bernd Wilms hat sich mit der Identität des Theaters, die zwei Diktaturen überstand, nie auseinander setzen wollen und das einzige Theater, das durch seine Geschichte den Rang eines Nationaltheaters für sich behaupten könnte, inhaltlich völlig heruntergewirtschaftet.
Dass jetzt im neuen Spielplanleporello das DT-Ensemble durch den deutschen Wald irrt und für die kommende Spielzeit „Deutsche Stoffe“ angekündigt werden, dürfte als sicheres Indiz dafür gelten, dass auch Wilms inzwischen gedämmert hat, dass er dem Haus nicht gerecht geworden ist.
Thomas Flierl kann man vorerst zu seiner Einsicht nur gratulieren, dass Wirtschaftlichkeit allein für die Führung eines Theaters kein Maßstab ist. Länger hätte er die Sache nicht schleifen lassen dürfen, ohne Berlins Theaterlandschaft weiter zu ruinieren.