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Archiv-Artikel

Herr Flierl betritt die Bühne

Nach Intendant Hesse vom Maxim Gorki Theater hat es der Kultursenator auf DT-Chef Bernd Wilms abgesehen. Auch der soll gehen, weil das Profil nicht stimmt. Opposition spricht von Bühnen-Drama

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Geht der Kultursenator nach dem Intendanten- und Generalmusikdirektor-Kehraus an der Deutschen Oper nun mit dem Dolch durch die Sprechtheaterlandschaft? Einiges spricht dafür. Nach der Entscheidung von Thomas Flierl (PDS), den Vertrag von Volker Hesse, Intendant am Maxim Gorki Theater, über das Jahr 2006 hinaus nicht zu verlängern, steht wohl auch Bernd Wilms, Intendant am Deutschen Theater (DT), vor dem Rauswurf.

Wie die taz aus dem Umfeld der Kulturverwaltung erfuhr, beabsichtigt Flierl, den Vertrag mit Wilms nach der Laufzeit 2006 zu beenden. Wilms, der seit 2001 die landeseigene Theaterbühne an der Schumannstraße leitet, habe sie nicht auf die Erfolgsspur und mit klarem Konzept geführt, so die Ansicht des Kultursenators.

Den Gerüchten zufolge könnte Wilms sogar vor dem eigentlichen Ende seiner Vertragszeit in die Wüste geschickt und von Oliver Reese, Dramaturg am Deutschen Theater, per Interimslösung ersetzt werden.

Nicht ganz falsch an der Kritik ist, dass das Haus kein eindeutiges Profil im Umgang mit den Klassikern erkennen lässt. Zudem wird Wilms wohl innerhalb des Ensembles, besonders von jungen Schauspielern, für seinen Spielplan kritisiert. Zu viele zeitgenössische Stücke wanderten in die DT-Kammerspiele und damit ins kleine Haus.

Zugleich hat der Intendant nach seinem Amtsantritt die Bühne wieder konsolidiert. Michael Thalheimers Inszenierung der „Emilia Galotti“ von Lessing sowie Stücke von Schiller, Tschechow und Hauptmann brachten dem Deutschen Theater wieder Erfolge. Außerdem beweist eine von dem Theater jüngst durchgeführte Befragung und Analyse des Publikums, dass sich dieses verjüngt hat. Statt des „lesenden Arbeiters“ wie zu Ostzeiten besuchen heute immer mehr Studenten und Bildungsbürger die Bühne. Eine wirkliche Konkurrenz zur Claus Peymanns Berliner Ensemble (BE), der Schaubühne oder der Volksbühne bildet das DT hingegen nicht.

Dass Flierl Volker Hesse nicht bis 2012 die Leitung am Gorki Theater überlassen will, ist dagegen beschlossene Sache. Man habe sich „einvernehmlich“ geeinigt, erklärte Hesse – was natürlich auch als euphemistische Umschreibung für einen Rausschmiss interpretiert werden kann.

Für Hesses Unmut spricht zum einen, dass er nach Startproblemen 2001 durchaus auf Erfolge durch die Inszenierungen von „Fabian“, „Romeo und Julia“ oder dem „Bankenstück“ zum Berliner Bankenskandal zurückblicken kann. Zum anderen spricht dafür, dass Flierl Einwände gegen den Spielplan und das Sammelsurium von Aufführungen und Regisseuren sowie insbesondere gegen die Botschaft des Bankenstücks gehabt haben soll – was von wenig Fingerspitzengefühl zeugt.

Auch soll Hesse vom Senator gefragt worden sein, ob er sich des „Ost-Erbes“ des Maxim Gorki Theaters genügend bewusst sei. Die kulturpolitische Sprecherin der Grünen, Alice Ströver, nannte den angekündigten Weggang Hesses einen „großen Verlust“, zumal der Intendant gerade eine positive Saisonbilanz vorgelegt habe. Flierls Personalvorstellungen folgten offenbar nur einem Prinzip: „Biografie Ost.“

Torsten Wöhlert, Sprecher des Kultursenators, wies dies zurück. Es sei richtig, dass der Intendant des Maxim Gorki Theaters das Haus wieder mit Besuchern gefüllt habe – doch die Wirtschaftlichkeit allein sei kein Maßstab für die Qualität der Führung eines Theaters.

Die ausgesprochene und mögliche Kündigung sowie die „Änderungen des künstlerischen Profils wollen alle Oppositionsparteien so nicht über die Bühne gehen lassen. Die kulturpolitischen Sprecherinnen von CDU, FDP und Grünen beantragten gestern eine Sondersitzung des Kulturausschusses. „Angesichts der Tragweite der anstehenden Entscheidungen muss über die Gründe, die den Kultursenator zu seiner eingenommen Position veranlasst haben, gesprochen werden“, sagten Monika Grütters (CDU), Sibylle Meister (FDP) und Alice Ströver. Der Kultursenator habe „die Pflicht, bei so weit reichenden Profiländerungen in der Theaterlandschaft dies plausibel zu erläutern“.