zwischen den rillen
: Schöne Unsinnsmusik

Eine alte Platte von Palais Schaumburg ist neu erschienen. Die neue Platte von Der Plan klingt daneben erstaunlich alt

Nehmen wir an, dass Walter Ulbricht Recht hatte und es Schönheit „nur im Kampf“ gibt. Nehmen wir ferner an, dass auch Unsinn einen politischen Effekt haben kann, nämlich den, zu verstören. Dann können wir sagen, dass das, was um 1980 in Deutschland entstand und heute als Neue Deutsche Welle bezeichnet wird, eine schöne Unsinnsmusik war. Ob nun Nena „Nur geträumt“ sang oder Ixi meinte: „Detlev, ich bitte dich, geh doch für mich auf den Strich“ – sie stellten sich in die Tradition der Zwanzigerjahre. Neigten die NDW-Songs in Richtung aufgerockter Schlager, blieb ihnen doch meistens ein Stück Wildheit. Bands wie die Münchener FSK sagten „Ja zur modernen Welt“ und gaben dem Unsinn damit weit mehr der Ulbricht’schen Schönheit, hier stellte sich eine Band stark in die amerikanische Pop- und Rocktradition.

Palais Schaumburg, gegründet von dem Schweizer Künstler, Trompeter und Synthie-Spieler Thomas Fehlmann und dem Avantgardemusiker Holger Hiller, lag immer dazwischen. Ihre LP „Palais Schaumburg“, die im vergangenen Jahr wieder veröffentlicht wurde, hatte den Hit „Wir bauen eine neue Stadt“, in dem sich das Motto „Zurück zum Beton“ fand. Nach dem Erfolg dieser LP verließ Hiller die Band, und die übrigen Mitglieder um Fehlmann, ergänzt um den Texter und Sänger Walter Thielsch, spielten eine weitere Platte ein, deren Texte noch unverständlicher waren, deren Musik aber gleichzeitig weicher und weniger effekthaschend-aggressiv war. Kein Wunder, das Album „Lupa“ von 1982, das jetzt, wie schon der Vorgänger, auf Tapete Records wieder veröffentlicht worden ist, wurde in New York von Andy Hernandez produziert, der auch für den Sound bei Kid Creole & The Coconuts zuständig war. Heraus kam eine NDW-Platte, die nicht im Geringsten hüftsteif war und in der alles Deutsche zergroovt wurde. Thielsch begleitete die Musik mit wunderbar sinnfreien Texten, etwa: „Hallo A. P., pfui pfui / Hier ist Lupa!“, oder: „Die Patronentaschen / Die wir tragen / Sind Patronentaschen // Die Klipp-Klapp-Mühle / Auf die wir schießen / Macht klipp-klapp.“ Texte, die durchaus Sinn produzieren konnten, etwa wenn nach ein Song über, nun ja, Malerei mit den Worten endet: „Deutschlands Gewicht in der Welt / Beruht auf Kredit.“ Wenn man die Platte heute hört, ist man erstaunt, wie sehr diese Musik noch mitreißen kann. Auch die letzte Maxi von Palais Schaumburg, „Hockey“, die ebenfalls auf der CD ist und schon ohne Thielsch auskommen musste, deutet noch an, wohin der Weg hätte gehen können – Palais Schaumburg hatten sich 1983 darangemacht, die deutschen Heaven 17 zu werden. Doch die Band zerfiel, Fehlmann ist heute ein gefragter Produzent und DJ und veröffentlicht House-Platten auf dem Kölner Kompakt-Label. Gefragt, ob er die Band nicht reanimieren wolle, winkt er lachend ab – er hatte damals und hat heute keine Lust, alte Säcke zu bedienen.

Eine derartig elegante Haltung hätte man sich von Moritz R. auch gewünscht. R. hat sich mit seiner Band Der Plan unsterblich gemacht. „Da vorne steht ’ne Ampel“ (1980) und „Gummitwist“ (1983) fehlen auf keiner NDW-Compilation, „Geri Reig“ und „Normalette Surprise“ bleiben Meisterwerke der schönen, weil widerborstigen Unsinnsmusik. Heute treten die beiden musikalischen Köpfe von Der Plan, Frank Fenstermacher und Kurt Dahlke, in der Altherrenband Fehlfarben auf und sorgen dort immerhin für tatsächlich guten Sound. R., von dem zu hören war, dass er für solche Rockeskapaden nicht zu haben sei, hat einen neuen Plan mit Achim Treu und JJ Jones gegründet.

Die Platte „Die Verschwörung“ ist leider elend langweilig, gerade weil sich der Humor von R. in all den Jahren nicht verändert hat. Weder musikalisch noch mit der merkwürdigen DAF-Parodie „Deutschland Bleiche Mutter“, noch mit der Meinhof-Reminiszenz „Ulrike“ vermag die Platte zu überzeugen. Hier bedauern Künstler ihr Schicksal, haben allerdings wenig zur Gegenwart zu sagen. Zeilen wie: „Software kann man nicht stehlen / Ideen sind frei“, sind peinlich. Diese Songs sollen, da sie in ästhetischer Hinsicht inzwischen zur konventionellen Musik von Westbam bis Mia gehören, offensichtlich Sinn machen. Dabei kommt ihnen die Schönheit leider weitgehend abhanden. JÖRG SUNDERMEIER

Der Plan: „Die Verschwörung“ (Marina Records/Indigo). Palais Schaumburg: „Lupa“ (Tapete Records/Indigo)