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Archiv-Artikel

Kongo findet aus dem Krieg nicht heraus

Auch nach dem Ende der neuen Rebellion im Osten der Demokratischen Republik Kongo gehen die Kämpfe weiter. Ruandische Hutu-Milizen nutzen die Rivalitäten zwischen kongolesischen Truppen aus, die Zahl der Vertriebenen und Flüchtlinge steigt

VON DOMINIC JOHNSON

Die neue Rebellion im Osten der Demokratischen Republik Kongo ist zwar niedergeschlagen, aber die Kämpfe in der Region gehen weiter. Damit steigt auch die Zahl der Vertriebenen. Ein UN-Team meldete vor einer Woche allein aus dem Distrikt Rutshuru nördlich von Goma, wo starke Formationen ruandischer Hutu-Milizen aktiv sind, 250.000 Vertriebene, davon 50.000 bis 60.000 neue aus den Monaten Mai und Juni. Aus vielen Orten der Provinzen Nord- und Südkivu sind nach Angriffen von Milizen tausende von Menschen in die Wälder geflohen.

In ganz Kongo gab es Ende 2003 3,4 Millionen Kriegsvertriebene – 700.000 mehr als zum Zeitpunkt des Kongo-Friedensvertrages Ende 2002. Die Hälfte davon befand sich in Nord- und Südkivu. Diese Zahlen steigen jetzt weiter an, während internationale Hilfsorganisationen im Ostkongo, die vor allem in der Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln, Trinkwasser und Medikamenten tätig sind, ihre Arbeit seit Anfang Juni um drei Viertel reduziert haben.

Ende Mai waren in der Provinzhauptstadt Bukavu Gefechte zwischen Einheiten des von Präsident Joseph Kabila ernannten Militärkommandanten der Stadt, Mbuza Mabe, und Getreuen des mit dieser Ernennung nicht einverstandenen Kommandanten Jules Mutebuzi ausgebrochen. Mutebuzi, Angehöriger der ruandischstämmigen Banyamulenge-Ethnie, hatte Verstärkung von einem weiteren abtrünnigen General aus der Provinz Nord-Kivu erhalten, Laurent Nkunda, dessen Truppen Anfang Juni Bukavu eine Woche lang einnahmen. Seit dem Abzug dieser Rebellentruppen aus Bukavu am 9. Juni floh Mutebuzi mit seinen Truppen nach Ruanda, während Nkunda seine Armee in das Dorf Minova an der Grenze zwischen Nord- und Südkivu zurückzog.

Die Kämpfe um Bukavu sind seitdem beendet, die Gefechte südlich der Stadt in Richtung Burundi gehen aber weiter. In dieser Region hatten schon Anfang Mai ruandische Hutu-Milizen zehntausende Kongolesen in die Flucht getrieben. Damals hatten sich mehrere Fraktionen der noch im Entstehen begriffenen kongolesischen Regierungsarmee gegen die Milizen zusammengetan, zur Freude der lokalen Bevölkerung. Ende Mai wurden diese Einheiten jedoch abgezogen, um in Bukavu zu kämpfen. Daraufhin rückten die Hutu-Milizen wieder vor und übten Rache an der Bevölkerung, wie das Expertennetzwerk „Fewer“ (Forum for Early Warning and Early Response) in einem Lagebericht unter Berufung auf UN-Militärbeobachter schildert. Dies dürfte auch der Grund für die andauernde Flucht von Zivilisten aus dieser Region nach Burundi sein, wo das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR mittlerweile 34.000 kongolesische Flüchtlinge zählt.

Die UN-Mission im Kongo (Monuc) ist gegen die ruandischen Hutu-Milizen offenbar machtlos, obwohl sie diese im Prinzip demobilisieren und nach Ruanda repatriieren soll – aber nur auf freiwilliger Basis. Auch Kongos Regierung von Präsident Joseph Kabila, der in den letzten Wochen rund 10.000 weitere Soldaten nach Ostkongo geschickt hat, tut gegen die Milizen offenbar nichts – im Gegenteil: Nach UN-Angaben ist es in mehreren Stationierungsorten der Kabila-treuen Truppen im Ostkongo, darunter Bukavu, in jüngster Zeit zu gezielten Morden an Tutsi-Soldaten gekommen. Gestern meldete die UNO, sie werde 26 solche Morde untersuchen.

Hintergrund der andauernden Krise in Ostkongo ist, dass es dort keine allseits anerkannte Regierungsmacht oder Regierungsarmee gibt. Die drei Militärkommandoposten der Region sind in den Händen dreier rivalisierender Gruppen, die sich während des Krieges bewaffnet gegenüberstanden. Mbuza Mabe, Kommandant von Bukavu, ist Kabila-treu; der Kommandant von Goma kommt aus der ehemaligen ostkongolesischen Rebellenbewegung RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie); der Kommandant von Kisangani ist der einst wichtigste Führer der ostkongolesischen Mayi-Mayi-Milizen. Alle drei führen ihre eigenen bewaffneten Einheiten aus der Zeit des Krieges weiter und stehen heute wieder miteinander in Konflikt.