Die Hochburg der Dynamik

Eine Studie der Zeitschrift Wirtschaftswoche sieht große Veränderungen bei den Bremer Standort-Indikatoren, weniger aber bei der Bonität der Unternehmensbilanzen. Im Wirtschaftsressort „herrscht Freude“, meldet die Senatspressestelle

taz ■ Traue keiner Statistik, die du nicht selber gefälscht hast, sagt eine alte Regel. Diese Weisheit missachtend meldete gestern die Bremer Senatspressestelle, „im Wirtschafts- und Häfenressort herrscht Freude“. Begründung: Im Bundesländer-Ranking der „Initiative für Neue Soziale Marktwirtschaft“ und der Wirtschaftswoche liegt Bremen im „Dynamik-Ranking“ mit 115,7 Punkten auf Platz zwei. Auf Platz 1 kam mit 116 Punkten das Saarland. Auf den Plätzen 3 und 4 folgen Hessen (113,7 Punkte) und Rheinland-Pfalz (106,3 Punkte). In dieser Studie belege Bremen beim Einzelindikator „Standort“ Platz 1 unter den Bundesländern, heißt es in der Senatsmitteilung.

Diese Plätze verteilt die Studie allerdings nicht für ein hohes Niveau in absoluten Zahlen, sondern für Veränderungs-Prozente zwischen den Jahren 2000 und 2002. Die Bremer „Dynamik“ wird also von dem (niedrigen) Bremer Ausgangsniveau gemessen, die bayerische Dynamik vom bayerischen Ausgangsniveau. Der stellvertretende Chefredakteur der Wirtschaftswoche, Klaus Methfessel, relativierte die Ergebnisse der Studie daher mit der Bemerkung, für ein Land wie Bayern, das schon lange auf einem hohen Niveau liege, sei es schwer, auch in der Dynamik stets vorn zu liegen.

Bei der „Bestandsermittlung“ des Rankings für das Jahr 2002, bei dem 48 Indikatoren zu Grunde gelegt wurden, erreicht Bremen denn auch nur 105 Punkte und damit den Platz 7. Vorn liegen die wirtschaftsstarken Länder Bayern, Baden-Württemberg und Hessen – hinter Bremen kommen die Flächenländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein und die ostdeutschen Bundesländer. Da es „unseriös“ sei, wie der wissenschaftliche Autor der Studie sagt, Großstadt-Indikatoren mit denen der Flächenländer zu vergleichen, führt die Studie die Stadtstaaten bei den Detail-Vergleichen getrennt auf.

Bei den Veränderungs-Daten, bei der nur die Entwicklung an dem früheren Niveau gemessen wird, liegt Bremen beim Indikator „Standort“ auf Platz eins. Dieser Faktor gewichtet positiv, so Tasso Enzweiler, der Leiter der „Initiative Soziale Marktwirtschaft“, dass die Lohnkosten in Bremen niedrig sind und die Staatsausgaben für Wissenschaft und Infrastruktur hoch. Bayern, das wirtschaftsstärkste Land, liegt bei diesem Indikator auf Platz 10. Negativ bei Bremen schlage vor allem die geringe Steuerkraft pro Einwohner zu Buche und die hohe Zahl der Unternehmensinsolvenzen, erklärte Enzweiler auf Nachfrage der taz. Beim Indikator „Unternehmensperformance“, wo die „Bonität der Unternehmensbilanzen“ gewichtet wurde, hat Bremen so nur den zwölften von 16 Plätzen erreicht. Unter den wirtschaftsschwachen Ländern haben die neuen Bundesländer etwas aufgeholt – Brandenburg, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern liegen in der „Dynamik“ der Veränderungsprozente vorn, allerdings auf ihrem niedrigen Niveau.

Die Freude über das Ranking ist daher letztlich doch gebremst. Wirtschaftssenator Hartmut Perschau erinnert daran, dass schon eine Studie der Prognos AG festgestellt hat, die Wirkungen des Investitionssonderprogramms (ISP) würden erst „nach etwa 15 Jahren in vollem Umfang“ wirken. Für die Sanierung des Bundeslandes brauche man einen „langen Atem“.

Dem Ministerpräsident des Saarlandes, Peter Müller (CDU), wird für den ersten Platz seines Landes in einem Festakt am 9. September von der Initiative „Neue Soziale Marktwirtschaft“ der Titel „Ministerpräsident des Jahres“ verliehen. kawe