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Archiv-Artikel

Morgen ist alles verboten, was Spaß macht

Am 1. August tritt das neue Urheberrecht in Kraft: Eine Anleitung zur ersten Hilfe gegen den Staatsanwalt

Nicht nur das erste, auch das letzte Mal kann ja das schönste sein. Wenn Sie ein Peer-to-Peer-Programm installiert haben: Keine CDs mehr auf die Festplatte überspielen! Zwar ist beides – vorausgesetzt, Sie können die Daten der CD ohne die sehr verbotene „Umgehung wirksamer technischer Schutzmaßnahmen“ auf den Rechner kopieren – eigentlich strikt legal. Aber Tauschbörsenprogramme durchstöbern gerne die gesamte Festplatte nach tauschbaren Musik- oder Filmdateien. Ist urheberrechtlich geschütztes Material darunter, greift der neue Paragraf 19a des neuen Urheberschutzgesetzes, wonach „öffentliche Zugänglichmachung“ ohne Lizenz streng verboten ist. Wird gar ein „gewerblicher Zweck“ nachgewiesen, droht neben Schadenersatzansprüchen eine Strafverfolgung inklusive Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren.

Schade um den nagelneuen Gigahertz-Rechner mit der Riesenfestplatte. Vielleicht ist der alte auch noch in Ordnung. Dann ist es sicherer, die Daten darauf herunterzuladen und auf dem neuen nur neue CDs abzuspielen. (Das Ethernet-Verbindungskabel an einem sicheren Ort verstecken.) Wenn Sie Programme wie „CloneCD“ oder „Alcohol 120 %“ installiert haben: Nicht mehr auf das Programmsymbol doppelklicken! Zwar nicht der Besitz, wohl aber die Anwendung von „Crack-Software“ zur Aushebelung der Kopierschutzmechanismen ist unter Strafe gestellt.

Sie wollen Ihrem Bekannten eine Mix-CD schenken? Das ist ein sozial vorbildlicher Akt und wird vom Gesetzgeber gerne gewürdigt. Sie haben ein Recht auf „Privatkopie“, nur dürfen Sie die „Schutzmaßnahmen“ der Industrie nicht umgehen. Mit einem Überspielkabel für den Kassettenrekorder können Sie Ihr Recht mit analogen Mitteln auch weiterhin wahrnehmen.

Kann aber sein, dass sich Ihr CD-Player von vornherein weigert, die neu gekaufte Scheibe abzuspielen: Beim Händler umtauschen. Nicht das Gesetz, aber der Industriestandard von Philips und Sony verbietet derart weit gehende Manipulationen der Daten. Vielleicht läuft die neue CD, nur dürfen Sie nicht wissen, warum. Bewahren Sie Ihre alten Computermagazine deshalb ebenfalls an einem sicheren Ort auf. Denn auch die Berichterstattung über Kopierschutzmechanismen und das Knacken derselben ist morgen verboten. Was man versteht, kann man auch ändern, das weiß selbst die Industrie.

Selbstverständlich sind Produktion, Verkauf, Vertrieb und das Bewerben von entsprechenden Geräten oder Software verboten. Programmierer sollten in jedem Fall eine Rechtsschutzversicherung abschließen. Wer sich auf die Entwicklung von Brennsoftware spezialisiert hat, muss sich ein neues Betätigungsfeld suchen oder darauf hoffen, dass die Klage der Softwarefirma S.A.D. („MovieJack“, „CDRWIN“) gegen das neue Urheberrechtsgesetz vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich ist.

Vorsicht auch mit Edding-Stiften: Wenn Sie Ihre Musiksammlung künstlerisch verschönern wollen: Nicht mehr die CD bemalen! Simplere Kopierschutzmechanismen lassen sich durch einen Strich an der richtigen Stelle ausschalten. Schon morgen ist diese analoge, daher souveräne Durchstreichung digitaler Hinterlist verboten.

dietmar.kammerer@web.de