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Archiv-Artikel

Klingt wie selbst gebrannt

Bertelsmann will nun Billigversionen seiner Musik-CDs anbieten. Das ist schade – nicht nur für den Konzern

Späte Einsicht ist schmerzhaft. Letzte Woche hat ein Bertelsmann dem Magazin Spiegel gesagt, die Musikbranche habe „viel zu lange einfach nur unbeweglich auf ihrem Hintern gesessen“. Die Sitzmuskeln sind zwar immer noch ziemlich steif, aber die ersten Lockerungsübungen haben begonnen. Vom kommenden August an will die Bertelsmann Music Group für 9,99 Euro jeweils eine Billigversion ihrer neuen CDs anbieten, die aussehe wie „eine Selbstgebrannte“: ohne Cover, die Titel sind auf die Scheibe gedruckt. 12,99 Euro soll dieselbe CD mit gedrucktem Cover kosten, für 17,99 gibt es eine „Luxusversion“ genannte Ausgabe mit einem Booklet.

Warum 9,99 Euro? Weil im „iTunes Music Store“ von Apple etwa 700.000 Titel zum Stückpreis von 99 Cent zu haben sind. Bertelsmann reagiert auf den Erfolg des Online-Ladens von Steve Jobs, eine eigene Geschäftsidee steckt nicht dahinter. Zehn Songs auf einer CD zum selben Preis, aber ohne Ladezeiten sind konkurrenzfähig. Natürlich sind sie mit allen möglichen Tricks gegen das Kopieren geschützt, aber das braucht niemanden zu interessieren: Man muss sie ja wenigstens einmal abspielen können, und das reicht für eine Kopie, die ins Tauschnetz gestellt werden kann. Ob die Quelle gestern bei Apple, Bertelsmann oder beim Indy-Label gekauft worden ist, lässt sich dann nicht mehr feststellen.

Das ist schade – für die Musikindustrie, aber auch für die User. Vor drei Jahren hatte der damalige Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff eine viel bessere Idee. Er spendierte der Tauschbörse Napster ein paar Millionen Dollar, um mit ihr ins Geschäft zu kommen. Er wollte den Tausch von Musikstücken legalisieren, um dann den dankbaren Usern des Netzes all die Zusatzinformationen zu verkaufen, die Tauschbörsen nicht bieten und Bertelsmann heute als Luxus für einen Preisaufschlag von 6 Euro im Laden anbieten will. Middelhoff aber wurde gefeuert, Napster geschlossen. Genützt hat es Bertelsmann gar nichts. Die Tauschbörsen sind danach aufgeblüht, und der Konzern muss froh sein, wenn er seine CDs wenigstens zum Onlinepreis von Apple loswird. NIKLAUS HABLÜTZEL