Auf dem Weg zu einer politischen Sekte

Ursula Haubner wird neue Chefin der FPÖ. Ob sie den Niedergang der Partei aufhalten kann, ist fraglich

Revolutionen, so weiß man, finden meistens nicht statt, wenn sie zu lange angekündigt werden. So blieb denn auch am Samstag in Linz, wo die FPÖ einen Sonderparteitag zelebrierte, die Rebellion des rechtsnationalen Flügels aus. Er hatte vergangene Woche aber genügend Krach geschlagen, um sich jetzt den Frieden mit zusätzlichen Machtquoten abkaufen zu lassen. Das Bild der einigen Familie, das die Haider-Geschwister zu vermitteln suchten, konnte wenig überzeugen.

Ursula Haubner, Staatssekretärin im Sozialministerium und ältere Schwester Jörg Haiders, wurde als einzige Kandidatin zur neuen Parteichefin gewählt und beerbte damit formal den glücklos agierenden Sozialminister Herbert Haupt, den sie de facto schon im Oktober als „geschäftsführende Parteiobfrau“abgelöst hatte. Die Zustimmung von 79 Prozent fiel relativ schwach aus.

Noch bescheidenere Werte erreichten ihre beiden Vizes, Günther Steinkellner aus Oberösterreich und Hans-Christian Strache aus Wien. Strache ist gleichzeitig ein Mann des äußerst rechten Lagers und treuer Knappe Jörg Haiders. Er und der neue Generalsekretär, der Kärntner Uwe Scheuch, werden dafür sorgen, dass die Interessen der Nationalen im Parteivorstand entsprechend zur Geltung kommen.

Diese kritisieren seit langem den Kuschelkurs der Regierungsmitglieder gegenüber dem Koalitionspartner ÖVP. Aber ein zweites Knittelfeld – jener turbulente Sonderparteitag 2002, der den Kollaps der Regierung, Neuwahlen und die Schrumpfung der FPÖ provoziert hatte – wollte keiner riskieren.

Bei den Freiheitlichen gärt es. Während Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und seine Minister den unpopulären Regierungskurs ohne allzu große Schrammen überstehen, wird die FPÖ von Wahl zu Wahl abgestraft. Die jüngste Krise begann vor drei Wochen bei den Europawahlen, als die FPÖ vier ihrer fünf Sitze verlor. Je kleiner die Gesamtmasse, desto bedeutender erscheinen Minderheiten. So wurde das einzige Mandat nicht vom Spitzenkandidaten Hans Kronberger besetzt, der sich als Arbeitstier in Straßburg Respekt verschafft hatte, sondern vom Ex-Parteiideologen Andreas Mölzer, der sich bei Vlaams Blok und Le Pen politisch zu Hause fühlt. Er hatte genügend Vorzugsstimmen werben können, um die beiden vorgereihten Kandidaten zu überflügeln.

Seither drängt das „nationale Lager“ in der FPÖ wieder an die Schalthebel der Macht. Ewald Stadler, Burschenschafter, versetzte die Parteiführung letzte Woche in Aufregung, als er verkündete, er wolle sich am Sonderparteitag um den Posten des Vizeparteichefs bewerben. Das war Rebellion. Um in der Regierung etwas Glaubwürdigkeit zu bewahren, muss die FPÖ ein gemäßigtes Image pflegen. Rabauken vom Schlage Stadlers, der seinen Ruf als kampflustiger „Dobermann“ pflegt, erinnern an die rechtsnationalen Ursprünge der Partei. Stadler will man dem Koalitionspartner nicht zumuten. Er wurde mit dem Vorsitz der Freiheitlichen Parteiakademie abgefunden und in den Parteivorstand kooptiert.

Ursula Haubners Warnungen „vor einer sektiererischen Hinrichtung zu einer reinen Lehre, die es in der Sache nicht geben kann“, klangen jedoch wie die Aufforderung zum geordneten Rückzug. Die FPÖ befindet sich wieder auf dem Weg zu einer lauten, aber politisch irrelevanten Sekte. RALF LEONHARD