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Archiv-Artikel

kommentar Politik als Maschinerie der Versprechungen

Mit der Politik verhält es sich wie mit der Religion: Wichtig ist die freudige Botschaft. Die Versprechungen. Die Sozialpolitik wartet jetzt mit der neuesten Ankündigung auf: Als Folge der Gesundheitsreform sollen die Krankenkassenbeiträge sinken, die Hälfte davon sparen die Unternehmer. Bei einem Job für ein Bruttoentgelt von 2.500 Euro würde der Arbeitgeber im allerbesten Fall fast neun Euro im Monat an Beiträgen sparen – und wenn die Arbeit billiger wird, so die Hoffnung, dann stellen Unternehmer vielleicht hie und da neue Leute ein. Dass das so kommt, ist kaum zu glauben. Aber wichtig ist die Halbwertszeit dieser Hoffnungen. Da reiht sich die Gesundheitsreform ein in eine Kette von Versprechungen, die schon seit Monaten die Botschaft verbreiten sollen: Es geht voran.

 Ein Rückblick: Da war das Hartz-Konzept mit der Idee der Zeitarbeit – und einem ernüchternden Ergebnis: Bisher sind nur 2.300 ehemals arbeitslose Jobber bei den Personal-Service-Agenturen in Lohn und Brot – bei 4,3 Millionen Arbeitslosen! Vor einigen Wochen folgte die Ankündigung der vorgezogenen Steuerreform: Leute, bald habt ihr ein bisschen mehr, dann müsst ihr einfach mehr kaufen, und schon geht’s aufwärts! Das ist nicht viel glaubwürdiger. Und jetzt die Gesundheitsreform, auch sie soll indirekt dem Jobmarkt helfen.

 Die Politik hat sich zu einer Maschinerie der Versprechungen entwickelt – die Frage ist jedoch, ob man damit der subjektiven Zukunftsangst der Leute wirksam begegnen kann. Die Angst vor Abstieg und Ausschluss ist das größte Problem. Und Wirtschaft, also das Investieren und Kaufen, beruht nun mal vor allem auf der Zuversicht von Produzenten und Konsumenten.

 Demnächst soll die Arbeitslosenstatistik reformiert werden. Die Arbeitsämter werfen schon jetzt Menschen schneller aus der Statistik, die bei Vorladungen und Maßnahmen nicht erscheinen. Auch so kann man die Arbeitslosenzahlen senken. Diese Strategien für Zuversicht können aber nur funktionieren, wenn tatsächlich mehr Jobs entstehen – und damit neue reale Optionen, mehr Handlungsmöglichkeiten für den Einzelnen.BARBARA DRIBBUSCH brennpunkt SEITE6