Warten auf Washington

US-Kongress schließt Steuerschlupfloch Cross-Border-Leasing. NRW-Städte haben keine Angst, Millionen aus Leasing-Deals zurückzahlen zu müssen

VON MARTIN TEIGELER

Der US-Kongress will nicht länger die klammen NRW-Kommunen päppeln. Beide Häuser des amerikanischen Parlaments wollen Cross-Border-Leasing (CBL) abschaffen. Die Gesetzesmacher in Washington werden nicht weiter zusehen, wie finanziell angeschlagene Städte aus Übersee mit US-Steuerschlupflöchern Millionen einnehmen (siehe Kasten). „Cross-Border-Leasing ist tot“, sagt Ludger Harmeier vom NRW-Innenministerium.

US-Senat und Repräsentantenhaus haben im Juni ihre Vorlagen für Steueränderungsgesetze verabschiedet. Mit großer Mehrheit stimmten sowohl Republikaner als auch Demokraten für das Ende der CBL-Gesetze – in wenigen Wochen soll eine Gesetzesregelung folgen. Einziger Knackpunkt: Nach dem Entwurf des Senats sollen die Transaktionen auch rückwirkend nicht mehr abgeschrieben werden können. Sämtliche, auch in NRW abgeschlossene CBL-Deals wären nichtig. Die US-Investoren könnten demnach versuchen, die an deutsche Städte geleisteten Zahlungen zurückzufordern.

„Wir sind davon nicht betroffen“, sagt Reiner Kampmann (CDU), Kämmerer der Stadt Gelsenkirchen. Die hoch verschuldete Revierstadt hatte vor zwei Jahren ihr Kanalnetz an einen Investor verleast und damit 25 Millionen Euro eingenommen. „Laut Vertrag trägt der Investor das finanzielle Risiko“, fühlt sich Kampmann auf der sicheren Seite. Nach seinen Informationen sollen zudem nur solche Leasing-Geschäfte rückwirkend annuliert werden, die nach dem März 2004 abgeschlossen wurden. Trotzdem hat Kämmerer Kampmann ein Auge auf die US-Legislative: „Wir beobachten das Gesetzgebungsverfahren.“

Gelassen wie Kampmann sehen es die meisten kommunalen Finanzchefs. „Uns sagen alle Städte, sie hätten nichts zu befürchten“, sagt Birgit Frischmuth vom Deutschen Städtetag. Gleichwohl seien die Vertragsinhalte der CBL-Vereinbarungen geheim. Die oft 1.000-seitigen Konvolute genau zu prüfen, rät auch Stefan Bergmann, Sprecher der Bezirksregierung Münster. „Wir haben allen Städten bei CBL zur Vorsicht geraten“, so Bergmann. Um die Risiken und Nebenwirkungen der Verträge müssten sich die Kommunen selbst kümmern. „Die langfristigen Folgen sind undurchsichtig“, sagt Bernd Hamacher von der Bezirksregierung Düsseldorf und spielt auf mögliche Schadensersatzklagen der US-Investoren an. Seine Empfehlung: „Jede betroffene Stadt sollte sich einen guten Anwalt nehmen.“ Auch Ministeriums-Sprecher Harmeier sieht die Städte in der eigenen Verantwortung.

Ab sofort ist die komplizierte, aber einträgliche Geldquelle aus Übersee jedenfalls versiegt. „Schon seit Herbst 2003 hat es aus Angst vor Gesetzesänderungen keine CBL-Abschlüsse mehr gegeben“, sagt Städtetags-Expertin Frischmuth. Die reichen Onkels werden als Sanierer der Pleite-Städte in NRW ausfallen.