Wegen Krankheit nur ein kurzer Prozess

Schlechter Gesundheitszustand von Jugoslawiens Expräsident Milošević erzwingt eine erneute Unterbrechung des Prozesses in Den Haag. Berichte über Kontakte internationaler Institutionen mit mutmaßlichen Kriegsverbrechern Karadžić und Mladić

AUS SARAJEVO ERICH RATHFELDER

Das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag macht in den Augen der bosnischen Öffentlichkeit zurzeit nicht die beste Figur. Einerseits wurde gestern der Prozess gegen Jugoslawiens Expräsident Slobodan Milošević erneut unterbrochen. Andererseits wirft das Verhalten der Chefanklägerin Carla del Ponte Fragen auf. Sie hatte mehrmals die Verhaftung des flüchtigen mutmaßlichen Kriegsverbrechers Radovan Karadžić angekündigt.

Wegen seines Gesundheitszustands forderte Milošević die Unterbrechung des Verfahrens. Ursprünglich sollte er eine Liste der Zeugen für seine Verteidigung vorlegen, um sie dann selbst zu befragen. Wegen der gesundheitlichen Probleme dürfte sich der Prozess, der ohnehin noch mehrere Monate dauern wird, noch länger hinziehen. Daher forderte der Ankläger Geoffrey Nice erneut, dass die Richter zwangsweise einen Pflichtverteidiger für Milošević berufen.

Diplomaten in Sarajevo rätseln, warum Chefanklägerin Carla del Ponte vor dem 30. Juni erklärt hatte, Karadžić würde bis zu diesem Datum verhaftet. Hohe Offiziere der SFOR-Friedenstruppen und Diplomaten aus dem Büro des Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft sehen diese Ankündigung als „sehr unglücklich“ an. Auch wenn del Ponte heimlich mit Karadžić verhandeln ließ, könne man nicht an die Öffentlichkeit gehen, solange der Gesuchte sich noch in Freiheit befinde.

Die Tageszeitung Dnevni Avaz veröffentlichte gestern Details über angebliche Verhandlungen mit Karadžić und seinem Ex-Stabschef der serbisch-bosnischen Armee, Ratko Mladić. So soll eine Verhandlungsgruppe aus Briten, Italienern, Deutschen und Franzosen mit den Gesuchten Kontakt gehabt haben. Karadžić und Mladic hätten gefordert, während einer Gerichtsverhandlung in Den Haag auf freiem Fuß bleiben zu dürfen. Die Verhandlungen seien geplatzt.

Weiter berichtet die Zeitung, der französische Geheimdienst hätte Karadžić angeboten, ihn aus Bosnien herauszubringen und dann mit Den Haag zu verhandeln. Sicher ist aber nur, dass der Chef der Serbischen Demokratischen Partei und frühere Weggefährte Karadžić’, Dragan Kalinić, aufgefordert wurde, Karadžić zur Aufgabe zu bewegen.

Tatsächlich rief Kalinić vor zwei Wochen Karadžić öffentlich dazu auf, sich zu stellen. Doch trotz seiner Intervention wurden Kalinić und 58 andere serbische Funktionsträger vom Hohen Repräsentanten Paddy Ashdown wegen mangelnder Kooperation mit Den Haag Ende Juni aus dem Amt entfernt.

Quellen Hoher Diplomaten und SFOR-Militärs bestätigen, dass es in den vergangenen Monaten sporadische Kontakte internationaler Institutionen mit Karadžić gegeben hat. Florence Hartmann, Sprecherin von Carla del Ponte, streitet aber Kontakte und Verhandlungen des UN-Tribunals mit den Gesuchten ab. Diese könnten jedoch jederzeit Kontakt mit dem Tribunal aufnehmen, erklärte Hartmann gestern.