auf den barrikaden : Anleger besuchen Island-Botschafter
Eine richtige Demonstration sieht anders aus. Es gibt Megafone, einprägsame Schlachtrufe, aufgebrachte Menschenmassen. Hier nicht. „Wir wollen nur unser Geld zurück“, wirbt eine Frau um Verständnis. Über ihrer Kleidung trägt sie eine orangene Bauarbeiterweste, wie die meisten hier. Die etwa 50 Demonstranten, die sich mit ihren Plakaten vor der Isländischen Botschaft versammelt haben und warten, wissen nicht, wie es weitergeht.
Die Protestierenden sind Kunden der isländischen Kaupthing Bank. Sie spekulierten nicht auf den großen Gewinn, sie wollten eine sichere Geldanlage, und die Kaupthing Bank, die wegen ihrer Niederlassung in Frankfurt vielen als seriös erschien, bot ein wenig mehr Zinsen als deutsche Institute. Dann kam der Finanzcrash, und mit der Verstaatlichung des Geldinstituts am 9. Oktober 2008 stoppten die Auszahlungen an ausländische Kunden. Die gesicherten Spareinlagen blieben den isländischen Kunden vorbehalten. 30.000 deutschen Anlegern wird seitdem der Zugriff auf ihr Geld verweigert.
Einer von ihnen ist Thomas Bittner. Der Familienvater aus Schleswig-Holstein ist ein Mann, der die Spielregeln der Globalisierung kennt und akzeptiert, wie er sagt. Als er eine sichere Anlage für die ersparten 12.000 Euro suchte, holte er auch Angebote internationaler Anbieter ein und entschied sich für ein Tagesgeldkonto bei der Kaupthing Bank. Ein sicherer Weg, wie der Mittvierziger damals dachte. „Zockerqualitäten hat keiner von uns, auch wenn der Vorwurf häufig kommt.“
Das findet auch Brigitte Matthes, die sich als „klassischen Standardfall“ bezeichnet. Um bei Bedarf für kleinere Anschaffungen gerüstet zu sein, legte sie etwas Geld beiseite. Seit Oktober hat sie keinen Zugriff darauf. Dabei hätte sie es dringend zur Ablösung eines Kredites gebraucht, erzählt die in Hannover wohnende Frau, die extra für die Demonstration angereist ist. Wie alle anderen hofft Matthes aber noch auf die Rückzahlung ihres Geldes. Denn Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat den Isländern einen Kredit angeboten, damit diese ihre deutschen Kunden auszahlen können. Bislang ist Island nicht auf das Angebot eingegangen.
Angelika Nafziger, Verantwortliche der Demonstration, ist selbst Betroffene. Im Mai letzten Jahres legte sie einen kleineren Betrag für den täglichen Bedarf auf ihr Konto. „Steuern wollte ich damit zahlen“, erzählt die Berliner Architektin, „die waren eigentlich im Oktober fällig.“ Als die Krise kam, wollte sie ihr Geld retten und veranlasste eine Überweisung auf ein anderes Konto. Dort kam es nie an, obwohl es auf dem Konto der Kaupthing Bank abgebucht wurde. „Auf meinem Kontoauszug steht eine Null.“
Als Verantwortliche der Demonstration wird Nafziger persönlich vom isländischen Botschafter, Ólafur Davídsson, empfangen. Sie überreicht ihm einen Brief, in dem sie die Rückzahlung der Gelder fordert. Die Demonstranten haben alle unterschrieben. Davídsson hört der blonden Frau geduldig zu und nickt verständnisvoll. Als er den Brief an sich nimmt, bittet er um Geduld. Die Regierungen beider Länder, versichert er, sind um eine Lösung bemüht. Nafziger geht zu ihrer Gruppe zurück und verkündet das Ergebnis. Leises Gelächter. Die Demonstranten wissen nicht mehr als vorher.
ALEXANDRA KUNZE