Regierung setzt auf Tagesmütter

Weil die Kommunen nicht genügend Geld für Kita-Plätze haben, will Rot-Grün stattdessen schlecht geschulte Aushilfskräfte einsetzen. Einen Rechtsanspruch auf Betreuung soll es nicht geben. Gekürzt wird bei Psychotherapien für Jugendliche

AUS BERLIN HEIDE OESTREICH

Mit Kürzungen bei Therapien für Jugendliche will die Bundesregierung den Ausbau der Kitas für Kleinkinder bezahlen. Im „Tagesbetreuungsausbaugesetz“, das das Kabinett am Mittwoch verabschieden will, plant die Regierung Einsparungen bei der Jugendhilfe in Höhe von 219 Millionen Euro. Weitere 1,5 Milliarden Euro sollen in den Kommunen mittels Entlastungen durch den Bund frei werden.

Der Gesetzentwurf sieht als Sparmöglichkeit vor, dass Jugendämter Psychotherapien für Jugendliche bewilligen müssen, und dies nach strengeren Maßstäben als bisher. Auch sollen die Eltern stärker an den Kosten beteiligt werden.

Beim Ausbau der Tagesbetreuung von Kleinkindern hat die Regierung den Kommunen eine Menge Spielraum gelassen. Zwar wird als Ziel formuliert, dass bis 2010 in Westdeutschland 230.000 neue Betreuungsplätze entstehen sollen, doch haben Kinder darauf keinen Rechtsanspruch. Die Regierung hat kurzerhand beschlossen, dass eine solche Regelung „weder den Bedürfnissen von Eltern noch von Kindern bundesweit entspricht“.

Stattdessen hat man schlicht die alte Regelung von 1991 wiederholt, nach der „ein bedarfsgerechtes Angebot an Plätzen in Tageseinrichtungen und in Tagespflege vorzuhalten“ ist. Ab 2010 könne man eventuell dann doch über einen Rechtsanspruch nachdenken, heißt es paradoxerweise, nachdem man ihn zunächst für überflüssig erklärte.

Besonders umstritten ist, dass die Regierung schon jetzt erklärtermaßen davon ausgeht, mindestens 30 Prozent des Bedarfs mit Tagesmüttern decken zu können, die für die Kommunen sehr viel billiger sind als Kitas. Für deren Qualifikation werden allerdings kaum Kriterien formuliert: Sie sollten sich durch „ihre Persönlichkeit und Sachkompetenz“ auszeichnen und über „vertiefte Kenntnisse“ der Tagespflege verfügen, die sie „in Lehrgängen“ erworben haben.

Das ist wenig, insbesondere wenn man bedenkt, dass die Regierung mit der Offensive bei der Kleinkindbetreuung vor allem die frühkindliche Bildung der Knirpse im Auge hatte. „Die Tagespflege ist im Durchschnitt von geringerer Qualität als die institutionelle Betreuung“, bestätigt Wolfgang Tietze, Professor für Kleinkindpädagogik an der Freien Universität Berlin. Ein großflächiger Einsatz, wie die Regierung ihn vorsieht, ist für Tietze „nur vertretbar, wenn auch ein Qualitätsschub stattfindet“. Nun hat die Regierung zwar eine Qualitätsinitiative für Kindergärten eingeleitet, an der auch Tietze beteiligt ist. Doch die Qualifizierung von Tagesmüttern ist darin nicht enthalten.

Auch die ErzieherInnen in Kindergärten und Kitas sind ohnehin schon schlechter ausgebildet als im europäischen Durchschnitt. Daran ändert die Regierung wenig. Zwar soll die Qualität der Kitas durch Evaluierungen gesichert werden. Doch auch die Fortbildung der Angestellten habe „nicht zwangsläufig eine Änderung des Ausbildungsniveaus zur Folge“, heißt es ausdrücklich in der Begründung des Gesetzes.

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