: Die kleine Lichtung im Paragrafendschungel
Im Fall des Tamilen Siva schieben sich die zuständigen Behörden die streng geregelte Verantwortung gegenseitig zu. Humanität scheint dabei nicht vorgesehen. Dennoch gibt es einen Handlungsspielraum beim Nürnberger Bundesamt
Im Fall des Paramesvaran Sivabalasundaram handeln alle Behörden streng nach Vorschrift (siehe oben). Die Geschichte des jungen Tamilen hingegen verlangt nach einer humanen Entscheidung, die das Schicksal des Menschen Siva und nicht die Paragraphen in den Mittelpunkt rückt. Wer aber ist dafür zuständig?
Die Berliner Innenverwaltung und Ausländerbehörde sagen: wir nicht. In der Tat hat haben die Landesbehörden nicht zu entscheiden, ob ein Asylantrag gerechtfertigt ist oder nicht – dafür ist das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, kurz BAFL, zuständig. Ist ein Asylantrag abgelehnt – wie im Falle Sivas – muss die jeweilige Landesbehörde den Ausreisepflichtigen gegebenenfalls abschieben. Die Ausländerbehörde kann die Abschiebung nur verschieben, wenn sie aus „rechtlichen oder tatsächlichen Gründen“ nicht möglich ist. Das ist jetzt für Siva der Fall – aber nur solange er wegen des Hungerstreiks „reiseunfähig“ ist. Sonst greift hier keiner dieser Gründe, bestätigt ein Experte.
Dann gibt es noch die Härtefallkommission. Die Arbeit dieses „verwaltungsinternen Gremiums“ bezieht sich allein auf die Arbeit der Berliner Ausländerbehörde, nicht auf die des Bundesamts – also nicht auf das Asylverfahren. Und das langfristige Problem für Siva ist ja, dass das BAFL ihm das Recht auf Asyl nicht zugesteht.
Dennoch müssten das Land und die hier zuständigen Behörden ein Interesse an einer humanen Entscheidung haben. Denn würde ein Folteropfer – wie Siva – in sein Heimatland abgeschoben werden, ohne ein einziges Mal angehört worden zu sein, fiele das auch auf Berlin zurück.
Es bleibt aus der Liste der zuständigen Behörden auch noch eine, die Humanität walten lassen könnte: Die zuständigen Außenstellen des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchlinge (BAFL). In Sivas Fall sind das Chemnitz, wo er seinen ersten Asylantrag stellte, und unter Umständen Berlin, wo er sich jetzt aufhält. Die Chemnitzer Außenstelle des Nürnberger Bundesamtes hat bisher alle Asylfolgeanträge des Tamilen abgelehnt, ohne ihn selbst anzuhören. Er hätte alle Beweise im ersten Verfahren vorbringen können und müssen, heißt es.
Den Außenstellen des BAFL wäre es rechtlich jedoch möglich, Sivabalasundaram zumindest anzuhören, bestätigen Experten für Ausländerrecht. Für eine solche informelle Anhörung müsste die Ablehnung der Asylfolgeanträge vorerst nicht zurückgenommen werden. Vielmehr könne nach der Anhörung entschieden werden, ob nicht doch inhaltliche Gründe für die Wiederaufnahme des Asylverfahrens sprechen könnten.
Dafür müssten die Zuständigen über ihren Schatten springen. Das wäre kein Gesichtsverlust, sondern eine humanitäre Handlung. Und dafür war das Asylrecht einmal gedacht.
FLORIAN HÖHNE