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Archiv-Artikel

„Entartete Kunst“ von Mick Flick

Museumschef vergreift sich beim Streit um die Flick-Sammlung in Bild und Ton und spricht von „Entarteter Kunst“. Stiftung will NS-Geschichte der Familie Flick untersuchen lassen, aber keine Dokumentation. Schau kostet Steuerzahler 7 Millionen Euro

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) muss sich die Frage gefallen lassen, ob sie ihren Mitarbeiter Peter Klaus Schuster, Direktor der Staatlichen Museen zu Berlin und Mitinitiator der geplanten Flick-Ausstellung, nicht besser aus dem Verkehr ziehen sollte. Auf einer Veranstaltung der Stiftung am Dienstag zum Baufortgang der Rieck-Halle neben dem Hamburger Bahnhof, in der die „Flick-Collection“ ab Mitte September 2004 gezeigt werden soll, wählte Schuster einen denkbar dummen Vergleich. Die Sammlung zeitgenössischer Kunst von Friedrich Christian „Mick“ Flick, Enkel des NS-Rüstungsfabrikanten, sei in einigen Facetten nahezu mit „Entarteter Kunst“ vergleichbar, so revolutionär, so modern und „trashig“ kämen einige Bilder daher, sagte Schuster flapsig.

Unangebracht aber ist der Vergleich darum, weil Schuster mit der Entartungs-Stilisierung der Kunst und der Künstler ganz bewusst auf die aktuelle Kunst-Kritik anspielte, um diese zu delegitimieren. Die Flick-Schau hatte im Vorfeld heftige Kontroversen ausgelöst wegen des möglichen Zusammenhangs zwischen der Nazi-Vergangenheit der Familie Flick und der Sammlung des Enkels. Von „Blutgeld“ und „Göring-Collection“ war die Rede, wird doch Mick Flick bis dato unterstellt, mit dem ererbten Geld des Großvaters seine über 2.000 Werke umfassende Kunstsammlung der Moderne, darunter Bruce Naumann, Francis Picabia, Nam June Paik und Cindy Sherman, erworben zu haben.

Als „Entartete Kunst“ galten im NS-Regime alle Kunstwerke, die das naive Blut-und-Boden-Kunstverständnis der Nationalsozialisten ausgrenzte. Desavouiert wurden Expressionismus, Impressionismus, Neue Sachlichkeit, Surrealismus, Kubismus oder Dadaismus. Als „entartet“ galten die Werke von Grosz, Kirchner, Max Ernst und Max Pechstein, Paul Klee, Barlach oder Beckmann.

Dass die Debatte über Flick nun die Stiftung selbst erreicht, wurde gestern nach dem Rundgang durch die 13.000 Quadratmeter große umgebaute Rieck-Halle, die von außen einem schwarzen Monstrum ähnelt, deutlich. Um sich nicht dem Vorwurf der Geschichtsblindheit auszusetzen, will die SPK die Geschichte des NS-Rüstungslieferanten Friedrich Flick und seiner Familie untersuchen lassen. Das Institut für Zeitgeschichte in München werde dabei die Rolle Flicks im Nationalsozialismus erforschen, sagte Stiftungspräsident Klaus-Dieter Lehmann. Nach Auskunft Lehmanns werde das Flick-Archiv alle notwendigen Unterlagen für die Studie zur Verfügung stellen. Mit diesem Auftrag leiste die Stiftung „ihren Beitrag zur Debatte über die Sammlung des Flick-Enkels. In den vergangenen Monaten war in Berlin die Forderung erhoben worden, die Geschichte der Flick-Familie neben der sieben Jahre dauernden Leihgabe von Mick Flick zu präsentieren.

Hinweise zum Ursprung des Flick-Vermögens sollen in der Ausstellungshalle nicht auftauchen, sagte Lehmann. Es müsse strikt zwischen der Geschichte Flicks und der Kunst getrennt werden. Die Stiftung plane aber zahlreiche Veranstaltungen und ein Symposion zu dem Thema im Hamburger Bahnhof.

Neu ist auch, dass der Hamburger Bahnhof – das Museum für Gegenwart – für die Flick-Leihgaben geräumt wird. Die Präsentation der „Flick Collection“ in der Rieck-Halle werde keine eigenständige Ausstellung als „Flick-Museum“ sein, sondern in das Museum für Gegenwart eingebunden, sagte Schuster. Damit sichere sich das Museum seine Eigenständigkeit gegenüber dem Sammler.

Schließlich mussten Lehmann und Schuster zugeben, dass der Umbau der langen Rieck-Halle, der von Flick für 7,5 Millionen Euro in voller Höhe übernommen wird, nicht die einzigen Kosten bei dem Unternehmen bleiben. Die Stiftung – und damit die öffentliche Hand – baut für 900.000 Euro eine teure Verbindungsbrücke zwischen den Ausstellungsorten Hamburger Bahnhof und Rieckhalle. Außerdem fielen Mittel für die Eröffnungsschau in Höhe von 1,1 Millionen Euro und für die Folgeausstellungen in einer Höhe von 350.000 Euro jährlich an. „Das ergibt einen Betrag der Staatlichen Museen zwischen 6 und 7 Millionen Euro“, sagte Lehmann – die zu erwartenden Einnahmen mitgerechnet.

Für eine derartige Kunstsammlung sind 6 oder 7 Millionen Euro keine aufwändige Summe. Als vor einem Jahr das Land, die Stiftung und Flick den Vertrag zur Leihgabe für sieben Jahre unterzeichneten, war aber von Kosten der öffentlichen Hand nicht die Rede.