: „Es geht nicht nur ums Geld“
Der Bremer Wirtschaftsprofessor Winfried Schmähl warnt vor verkürzten Schlussfolgerungen aus der Diskussion um Generationengerechtigkeit. „Die Jungen“ und „die Alten“ gebe es so gar nicht
Bremen taz ■ Mit der Forderung, älteren Menschen keine künstlichen Hüftgelenke mehr zu finanzieren, weil sich das nicht mehr lohnen würde, fachte der Junge-Union-Vorsitzende Philipp Mißfelder (23) die Diskussion um Generationengerechtigkeit erneut an. Die taz fragte den Bremer Renten-Experten Winfried Schmähl, was er davon hält, wenn die Jungen den Alten vorwerfen, ihnen auf der Tasche zu liegen und ihnen gleichzeitig vom Rentenkuchen nichts mehr übrig zu lassen.
taz: Sind die Jungen nicht schön blöd, wenn sie rumjammern, anstatt sich rechtzeitig um private Altersvorsorge zu kümmern? Winfried Schmähl: Die Verteilungswirkungen der privaten Vorsorge sehe ich kritisch. Auch wird immer gesagt: „Das ist Eigenvorsorge, dort tust du etwas für dich selbst“ und bei der gesetzlichen Rentenversicherung wird gesagt: „Da zahlst du für die Alten.“ Das ist eine gezielte Irreführung, denn auch durch die Beiträge erwirbt man einen Rentenanspruch. Von der Diskussion profitieren allerdings die Versicherungen und Banken: Für die ist das kostenfreie Werbung.
Stichwort Generationengerechtigkeit: Kann es die angesichts leerer öffentlicher Kassen überhaupt geben? Es gibt ja sehr vielfältige Vorstellungen darüber, was gerecht ist. Die aktuelle Diskussion ist in doppelter Hinsicht verkürzt. Zum einen geht es nur um die heute Jungen und um die heute Alten, wobei die Jungen in der Zukunft auch von den Dingen betroffen sein werden, die sie heute fordern, also eine Leistungseinschränkung in der Alterssicherung und im Gesundheitsbereich. Der zweite Punkt: Wenn man etwas über die ökonomischen Bedingungen zwischen den Generationen sagen will, dann darf man nicht nur über öffentliche Alterssicherung reden, sondern auch über private Transfers.
Also über Erbschaften? Ja, aber es geht nicht nur ums Geld, sondern auch um Zeit, die Großeltern für die Betreuung von Enkelkindern aufwenden.
Wenn man das mit einbezieht: Wer steht auf der Gewinner-, wer auf der Verliererseite? Das kann man so nicht beantworten, weil wir leider zu wenig Informationen über den privaten Transfer haben. Eine Studie in den Niederlanden zeigt, dass man ein ganz anderes Bild bekommt, wenn man den miteinbezieht. Doch es geht nicht nur um Jung und Alt, sondern auch um Arm und Reich. Die Frage der Gerechtigkeit zwischen den Generationen verdeckt allzu häufig, dass es vor allem auch um die Verteilung innerhalb der Generationen geht. Es gibt ja weder „die Jungen“ noch „die Alten“ – und die Einkommensunterschiede werden sich noch erheblich ausweiten. Fragen: E. Bruhn